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Lukas_WRX

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101

Montag, 10. Januar 2005, 17:16

Aus aktuellem Anlass...


Gespieltes Schleudertrauma
Arglistiger Versicherungsbetrug

Das Bundesgericht hat eine bedingte Gefängnisstrafe von sieben Monaten und eine Busse von 3000 Franken für einen Mann bestätigt, der nach einem Auffahrunfall ein Schleudertrauma vortäuschte und so für eine angebliche Arbeitsunfähigkeit Versicherungsleistungen ausbezahlt erhielt.


[Rz 1] Laut dem einstimmig gefällten Urteil des Kassationshofs in Strafsachen handelte der Täter arglistig, weshalb sein Verhalten zu Recht als Versicherungsbetrug qualifiziert wurde.
[Rz 2] Der Verurteilte hatte nach dem Unfall über Schmerzen geklagt, die ihn daran hindern würden, seinen Beruf als Storenmonteur auszuüben. Ärztliche Zeugnisse, darunter ein ausführliches Gutachten der Rehaklinik Rheinfelden, attestierten ihm eine hundertprozentige Arbeitsunfähigkeit wegen eines Schleudertraumas.
Gestützt darauf erhielt der Mann von zwei Versicherungsgesellschaften insgesamt über 90´000 Franken für seine angebliche Arbeitsunfähigkeit ausbezahlt. Eine Observation ergab dann aber, dass er wie gewohnt und ohne Anzeichen von Beschwerden seiner Berufstätigkeit nachging. Dabei erzielte er mit rund 150´000 Franken im Jahr ein ähnlich hohes Einkommen wie vor dem Unfall.
[Rz 3] Seine Verurteilung durch das Aargauer Obergericht focht der Mann in Lausanne mit dem Argument an, er habe nicht arglistig gehandelt, weshalb der Tatbestand des Betrugs nicht erfüllt sei (Art. 146 Strafgesetzbuch). Insbesondere machte er geltend, es wäre für die Versicherungen leicht gewesen, seine Angaben zu überprüfen. Das trifft nach Auffassung des Bundesgerichts «offensichtlich nicht zu». Erst aufgrund einer mehrtägigen Observation und einer nachträglich im Strafverfahren durchgeführten Buchprüfung habe sich ergeben, dass der Verurteilte nach dem Unfall munter weitergearbeitet und verdient hatte. Gegenüber einem Versicherungsmitarbeiter hatte er angegeben, von seinen Ersparnissen leben zu müssen und nur unter Schmerzen und dank Medikamenten einzelne Aufträge ausführen zu können.

Urteil 6S.379/2004 vom 29. November 2004 – keine BGE-Publikation.

Quelle: Jusletter, www.weblaw.ch

Das Verhalten des Betrügers ist ein Hohn für jeden, der wirklich ein Schleudertrauma hat. Urteil ist meines Erachtens vollumfänglich gerechtfertigt.

Gruss
Lukas



Hikari

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102

Montag, 10. Januar 2005, 19:35

unglaublich, was sich gewisse Leute alles leisten um an 'geschenktes' Geld zu kommen, das andere mühsam als Prämie bezahlen.
Im Mittelalter wurden die 'geteert und gefedert'.

Gruss walter

PS Für unsere bühnendeutschen Freunde: ein Storenmonteur ist einer, der Sonnenschutzgardinen anbringt Notwendig beim gegenwärtigen Wetter

Lotus Exige-Driver

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103

Montag, 10. Januar 2005, 20:08

Na ja...

Dann habe die Ehre... Das kann mir nicht passieren...

Zudem wenn einer Lust hat, sich anstelle von mir am Mittwoch in die MRI-Röhre
zu legen... Tausche gerne... Geht ja auch nur gut 3/4 Stunden mit der Nase
fast an der Röhre...

Hab aber heute echt geile News betreffend Genf 2005 bekommen, die mich
das alles etwas leichter ertragen lassen werden...

Da drüber kann und darf ich aber noch nicht offiziell posten, also auch besser
nicht fragen... Einfach nur geil ist... Ihr werdets erfahren...

"Selig macht, was leicht ist...." Colin Chapman (Gründer von Lotus)

King-6

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104

Montag, 10. Januar 2005, 22:48

>>Zudem wenn einer Lust hat, sich anstelle von mir am Mittwoch in die MRI-Röhre
zu legen... Tausche gerne... Geht ja auch nur gut 3/4 Stunden mit der Nase
fast an der Röhre...

Sorry ist zwar OT, aber das ist nicht schlimm mit dem MRI, wenn du keine Platzangst hast! Ich war schon 2 mal in der Röhre und ich fand es immer sehr "angenehm", kannst auch Kopfhörer haben mit Radio...



Ich han endlich en Turbo Subiiii

Lotus Exige-Driver

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105

Montag, 10. Januar 2005, 23:57

Wieder OT...

War bereits dreimal in der Röhre, aber diesmal irgendwie anders ist...

"Selig macht, was leicht ist...." Colin Chapman (Gründer von Lotus)

pascal

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106

Dienstag, 11. Januar 2005, 01:06

in der MRI war ich sicher schon an die 10 mal, ausser dass es ziemlich laut und eng ist, hatte ich nie probleme damit. bin sogar da eingeschlafen

gruss
pascal

gruss
Pascal

cweber

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107

Dienstag, 11. Januar 2005, 11:10

<BLOCKQUOTE id=quote><font size=1 face="Verdana, Arial, Helvetica" id=quote>quote:<hr height=1 noshade id=quote>ausser dass es ziemlich laut und eng ist<hr height=1 noshade id=quote></BLOCKQUOTE id=quote></font id=quote><font face="Verdana, Arial, Helvetica" size=2 id=quote>

Und das ist wohl für viele Leute genau DAS Problem. Wenn man unter akuter Platzangst leidet bekommt man in dem Teil Panik.


Gruß
Christian

Gott fragte die Steine: "Steine, warum studiert ihr keine Elektrotechnik ?"
Und die Steine antworteten:" Weil wir nicht hart genug sind !"

Lukas_WRX

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108

Dienstag, 8. März 2005, 16:44

Abstand zum Vordermann

Das Bundesgericht vermeidet es auch in seinem neuesten Urteil zum Thema, präzise zu bestimmen, was ein «ausreichender Abstand» ist, der gemäss Strassenverkehrsgesetz bei schnellem Hintereinanderfahren einzuhalten ist (Art. 34 Abs. 4).

[Rz 1] Konkret zu beurteilen war das Verhalten eines Autolenkers, der auf einer Strecke von 800 Metern mit einer Geschwindigkeit von über 100 km/h auf der Überholspur einem anderen Auto mit einem Abstand von lediglich 10 Metern oder 0,33 Sekunden gefolgt war. Das wird vom Kassationshof in Strafsachen nicht nur als einfache, sondern als grobe Verletzung von Verkehrsregeln gewertet (Art. 90 Ziff. 2 Strassenverkehrsgesetz).
[Rz 2] Nach Auffassung des Bundesgerichts entsteht bei einem Abstand von lediglich 0,33 Sekunden und einer Geschwindigkeit von über 100 km/h auf einer Überholspur eine «erhöhte abstrakte Gefahr», weshalb das Verhalten objektiv als grobe Verkehrsregelverletzung zu qualifizieren ist. Dasselbe gilt aber auch für den subjektiven Aspekt, denn der Lenker fuhr vorsätzlich so nahe auf den Vordermann auf, um ihn zum Beschleunigen oder zur Freigabe der Überholspur zu drängen, was im Urteil aus Lausanne als rücksichtslos gewertet wird.
[Rz 3] Die helvetische Rechtsprechung hat bisher keine allgemeinen Grundsätze zur Frage entwickelt, ab welchem Abstand auch bei günstigen Verhältnissen eine Verkehrsregelverletzung zu bejahen ist und ab welcher Grenze diese als grob gilt. Dabei bleibt es, da das Bundesgericht sich nur gerade zu dem im konkreten Fall zu beurteilenden sehr kurzen Abstand von 0,33 Sekunden äussert. Allerdings wird mit Blick auf einen früheren Leitentscheid präzisiert (BGE 126 II 358), dass keineswegs erst ab einem Abstand von 0,3 Sekunden eine grobe Verkehrsregelverletzung vorliegen könne. – Allgemein bekannt sind die Faustregel «halber Tacho» (= 1,8 Sekunden) sowie die sogenannte «2-Sekunden-Regel». Letztere ist in Frankreich seit 2002 ausdrücklich im Code de la Route verankert. Die Praxis in Deutschland wertet einen Abstand von weniger als 0,8 Sekunden als gefährlich.

BGE 6S.377/2004 vom 11. Februar 2005
Quelle: Jusletter vom 7. März 2005

jogginghood

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109

Dienstag, 17. Mai 2005, 21:47

mal ne fage zum deutschen

wohne inner ländlichen gegend mit vielen geraden vor und noch dem ortsausgangsschild und an einer stelle lechte kurve vorm ortsausgangsschild nicht richtig einsehbar. und meist lässt es sich dort so timen das man sie direkt am ortschild beim überholen erwischt. wenn ich dann stark beschleunige und sie nicht vorbeikommen ist das dann nötigung?


und noch ne richtige geistige entgleisung

bei meiner freundin ist vorm tor nen grassteifen wo immer ein hund hinmacht
wir glauben das der dort gezielt hingeführt wird

wenn ich die scheisse dann nehme und da vor das tor lege wo der hund wohnt oder sogar übers tor werfe oder auf die klinke lege kann ich dann ärger gekommen


gumpel

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110

Mittwoch, 18. Mai 2005, 00:32

<BLOCKQUOTE id=quote><font size=1 face="Verdana, Arial, Helvetica" id=quote>quote:<hr height=1 noshade id=quote>
Original von jogginghood
wohne inner ländlichen gegend mit vielen geraden vor und noch dem ortsausgangsschild und an einer stelle lechte kurve vorm ortsausgangsschild nicht richtig einsehbar. und meist lässt es sich dort so timen das man sie direkt am ortschild beim überholen erwischt. wenn ich dann stark beschleunige und sie nicht vorbeikommen ist das dann nötigung?<hr height=1 noshade id=quote></BLOCKQUOTE id=quote></font id=quote><font face="Verdana, Arial, Helvetica" size=2 id=quote>
Das nennt sich ausbeschleunigen und ist Nötigung und fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs. Ich würde das lassen und Erziehungsmaßnahmen den dafür vorgesehenen Organen überlassen.

<BLOCKQUOTE id=quote><font size=1 face="Verdana, Arial, Helvetica" id=quote>quote:<hr height=1 noshade id=quote>
Original von jogginghood
und noch ne richtige geistige entgleisung

bei meiner freundin ist vorm tor nen grassteifen wo immer ein hund hinmacht
wir glauben das der dort gezielt hingeführt wird

wenn ich die *******e dann nehme und da vor das tor lege wo der hund wohnt oder sogar übers tor werfe oder auf die klinke lege kann ich dann ärger gekommen<hr height=1 noshade id=quote></BLOCKQUOTE id=quote></font id=quote><font face="Verdana, Arial, Helvetica" size=2 id=quote>
Das ist reine Vermutung. Sprecht mit den Leuten und klärt die Sache wie erwachsene Menschen, bevor da noch ein kleiner Bürgerkrieg ausbricht.

Fucked up beyond all recognition.

geändert von: steve mc cloud on 18/05/2005 01:31:21

dipree

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111

Mittwoch, 18. Mai 2005, 01:07

Lol
Du lässt sie nicht vorbeikommen, dass heisst du gibst dann Gas wenn Sie schon zum überholen angesetzt haben?
Warum muss man wenn andere den Straßenverkehr gefährden noch einen drauf setzen?
Natürlich ist das Nötigung und mit Sicherheit keinen Deut besser als alle anderen Nötigungsdelikte

Wenn der hinter dir unbedingt überholen will dann fährst du halt einfach ganz nach rechts und nimmst ein bischen Gas weg!

Armes Deutschland die Mentalität hier ist echt zum ... Man kann auch gegenüber Dingen tolerant sein die man nicht vertritt. So wäre doch die Gefährdung viel geringer.




www.boost.ag

jogginghood

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112

Mittwoch, 18. Mai 2005, 17:17

danke erst mal. mache das ja nicht immer

noch ne sache zum dem mri ding (kernspinntomograph)
dort bekommt man keine platzangst
sondern eine
Klaustrophobie – Angst vor (in) engen Räumen

aber nicht verwechseln mit der

Kleptophobie – Angst vor Dieben, bestohlen zu werden

nachzulesen und nicht wundern es gibt viel davon und es werden mehr auf

http://www.hypnose-gesundheitspraxis.de/phobienliste.htm



Lukas_WRX

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113

Mittwoch, 13. Juli 2005, 11:16

Ich weiss, im Zeitalter des BRIGHT völlig irrelevant aber trotzdem hier eine

Zusammenfassung der Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts zum Strassenverkehrsrecht aus dem Jahr 2004

Wer von Euch Zeit und Lust hat, kann sich durch die einzelnen Urteilszusammenfassungen durchlesen. Da hat es zum Teil interessante Sachen dabei. Bei manchen Entscheiden kann man einfach nur den Kopf schütteln...


Händlerschilder (BGer 6S.223/2004, 23.09.2004) - X. liess auf einem Lastwagen, der mit Händlerschildern versehen war, vier Abbruchautos bei verschiedenen Garagen abholen und in seine Garage transportieren, um dort einzelne Teile auszubauen und in andere Fahrzeuge einzubauen. Er wurde zu Recht wegen missbräuchlicher Verwendung von Händlerschildern zu einer Busse von Fr. 400.- verurteilt. Die Verwendung von mit Händlerschildern versehenen schweren Motorfahrzeugen für Sachtransporte ist nur unter den in VVV 24 IV genannten engen Voraussetzungen zulässig; die Einschränkungen bezwecken, eine Umgehung der Pflicht zur Zahlung der Schwerverkehrsabgabe zu erschweren, von welchen mit Händlerschildern versehene Lastwagen befreit sind. VVV 24 IV/a lässt nur Transporte von Fahrzeugteilen ("pièces détachées de vehicules") im Zusammenhang mit Fahrzeugreparaturen oder Umbauten im eigenen Betrieb zu. Ganze Fahrzeuge, auch Abbruchautos, sind offensichtlich keine Fahrzeugteile; auch dann nicht, wenn einzelne Teile der transportierten Abbruchautos für Reparaturen von anderen Fahrzeugen verwendet werden. Das Bundesgericht wies die These des X., Abbruchautos als Ganzes seien für ihn "Anhäufungen von Fahrzeugteilen", als reichlich konstruiert zurück.

Vorsorglicher Entzug bei überwundener Alkoholabhängigkeit (BGer 6A. 14/2004, 30.3.2004) - X., Inhaber des Führerausweises der Kat. D, wurde der obligatorischen medizinischen Kontrolle betreffend seine Fahreignung unterzogen. Das vom 2.2.2004 datierte ärztliche Zeugnis bestätigte eine Alkoholabhängigkeit, hielt aber fest, X. lebe seit dem 30.12.2003 abstinent, was durch die Leberwerte bestätigt sei. Der Arzt hielt unter diesen Umständen eine Spezialabklärung für nicht erforderlich. Die bernische Rekurskommission für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern bestätigte mit Entscheid vom 27.2.2004 den vom Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt am 6.2.2004 angeordneten vorsorglichen Entzug des Führerausweises ( VZV 35 III). Das Bundesgericht wies die dagegen erhobene Beschwerde ab. Ein vorsorglicher Entzug rechtfertigt sich bereits, wenn erhebliche Zweifel an der Fahreignung bestehen. Mit Rücksicht auf die ausgewiesene Alkoholabhängigkeit war diese Voraussetzung gegeben. Die seitherige Abstinenzzeit von nur 3 Monaten hielt das Bundesgericht für nicht ausreichend, diese Zweifel zu beseitigen. - Dem Urteil ist nicht zu entnehmen, ob und in welcher Weise X. bislang verkehrsauffällig geworden war. Es fehlt auch jeder Hinweis darauf, dass die medizinische Alkoholabhängigkeit nicht mit der strassenverkehrsrechtlich relevanten Sucht identisch ist ( BGE 129 II 82; ferner BGer 6A.65/2002, 27.11.2002).

Behördenvertrauen? (BGer 6A.35/2004, 1.9.2004) - X., dem der Führerausweis auf die Dauer eines Monats entzogen wurde, machte vergeblich geltend, er habe bei Erhalt des Strafmandats beim Untersuchungsrichteramt nachgefragt, ob der angebrachte Vermerk "ohne Eintrag im Strafregister" auch bedeute, dass kein Administrativverfahren erfolge, was bejaht worden sei. Das in BV 9 verankerte Recht auf Vertrauensschutz ( BGE 127 I 31 E. 3a) setzt voraus, dass (1) die Behörde in einer konkreten Situation mit Bezug auf bestimmte Personen gehandelt hat, (2) sie für die Erteilung der betreffenden Auskunft zuständig war oder der Bürger sie aus zureichenden Gründen als zuständig betrachten konnte, (3) der Bürger die Unrichtigkeit der Auskunft nicht ohne weiteres erkennen konnte, (4) er im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft Dispositionen getroffen hat, die nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden können und (5) die gesetzliche Ordnung seit der Auskunftserteilung keine Änderung erfahren hat ( BGE 121 II 473 E. 2c mit Hinweisen). Diese Voraussetzungen waren schon deswegen nicht erfüllt, weil dem X. die Eröffnung eines Administrativverfahrens bereits vor Ausfällung des Strafmandates angekündigt worden war und er deshalb die Unzuständigkeit des Untersuchungsrichteramtes hätte erkennen können und müssen.

Kinder, Alter? (BGer 6S.37/2004, 6P.12/2004, 4.8.2004) - Y., mit 80 km/h auf einer Überlandstrasse fahrend, war mit der 12-jährigen Radfahrerin X. zusammengestossen. Diese war aus einem rechtwinklig von rechts einmündenden vortrittsbelasteten Radstreifen (Signal "Kein Vortritt" und Wartelinie) ausgefahren. Sie erlitt schwere Verletzungen. Das Bundesgericht hob das den Automobilisten freisprechende Urteil auf und wies die Sache zur Neubeurteilung zurück. Y., der die Gruppe der Radfahrer und das offenbar etwas vorausfahrende Mädchen gesehen hatte, hätte nicht einfach mit unverminderter Geschwindigkeit weiterfahren dürfen. Gegenüber Kindern versagt die Berufung auf das Vertrauensprinzip. Der Umstand, dass die Radfahrerin bereits 12 Jahre alt war und schon über eine gewisse Erfahrung im Verkehr verfügte, vermochte den Automobilisten nicht zu entlasten. Eine fixe Altersgrenze, von welcher an von Kindern ein vorschriftsgemässes Verhalten erwartet werden kann, und von welcher an sie nicht mehr des besonderen Schutzes durch SVG 26 II bedürfen, lässt sich nicht bestimmen. Wesentlich ist, dass der Strassenbenützer als Kind erkannt wird, was hier der Fall war. Im Strassenverkehrsrecht gelten Kinder als junge Menschen, die wegen fehlender Einsicht in die Gefahren, ungenügender Kenntnis der Verkehrsregeln oder einer Neigung zu einem dem Augenblick entspringenden Verhalten den Anforderungen des Strassenverkehrs nicht gewachsen sind ( BGE 129 IV 282). Darunter fällt ein 12-jähriges Kind selbst dann, wenn es in diesem Alter bereits Verkehrsunterricht genossen hat, denn solcher Unterricht lässt nicht ohne weiteres erwarten, das Kind werde die erworbenen Kenntnisse in allen Situationen vernünftig anwenden können.

Rennendes Kind (BGer 6P.135/2003, 6S.383/2003, 3.3.2004) - Lastwagenchauffeur X. fuhr mit etwa 60 km/h und bemerkte aus grösserer Distanz auf einem von rechts einmündenden Weg ein Kind, das in Richtung Hauptstrasse rannte. Eine mit Sträuchern bepflanzte und mit Findlingen bestückte Böschung verdeckte ihm anschliessend vorübergehend die Sicht auf das weiter eilende Kind. Dieses rannte in der Folge, ohne nach links oder rechts zu blicken, auf den über die Hauptstrasse führenden Fussgängerstreifen zu, wo es zur Kollision mit dem Lastwagen des X. kam. Der 7 1/2-jährige Knabe erlitt schwere Verletzungen. - X. wurde zu Recht wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung (StGB 125 II) verurteilt. Gegenüber Kindern, wie auch gegenüber gebrechlichen und alten Leuten gilt der Vertrauensgrundsatz nicht. Ein allenfalls begrenztes Vertrauen in das ordnungsgemässe Verhalten dieser Strassenbenützer erfordert besondere Umstände ( BGE 129 IV 282, 125 IV 83, 115 IV 239). Indem X. angesichts des rennenden Kindes nur Bremsbereitschaft erstellte, nicht aber weiter abbremste und kein Hupsignal gab ( VRV 4 III und 29 II), hatte er die nötigen Vorsichtsmassregeln nicht getroffen. Der Umstand, dass ein Kind in Richtung eines Fussgängerstreifens rennt, ist als Anzeichen für mögliches Fehlverhalten zu deuten.

Überfahren eines Rotlichts (BGer 6A.69/2004, 26.11.2004) - Wer ein Rotlicht überfahren hat und deshalb gebüsst wurde, hat eine erhöhte abstrakte Verkehrsgefährdung verursacht, die jedenfalls eine Verwarnung rechtfertigt. Das gilt nach der Meinung des Bundesgerichts unabhängig davon, ob sich ein Unfall ereignet hat oder nicht. Unerheblich ist ebenfalls, ob zur Zeit der Tat schwacher Verkehr herrschte und die Sichtverhältnisse gut waren ( BGE 123 IV 88, 118 IV 185). Die Beachtung einer Lichtsignalanlage ist eine grundlegende Regel der Verkehrssicherheit. - Die Definition der erhöht abstrakten Verkehrsgefährdung wird mehr und mehr schematisiert und ufert zur Beliebigkeit aus. Zudem steht das Nichtbeachten eines Lichtsignals in der Ordnungsbussenliste (Ziff. 309.1: Fr. 250.-). Es liegt also im freien Belieben der Polizei, ob sie die Ordnungsbusse (ohne weitere Folgen für den Betroffenen) einkassieren oder eine Anzeige machen will.

Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts (BGer 6S.99/2004, 25.8.2004) - X. hatte auf der Europa-Brücke in Zürich-Altstetten die signalisierte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um toleranzbereinigte 27 km/h überschritten. Er wurde von den Zürcher Gerichten bloss wegen einfacher Verkehrsregelverletzung schuldig gesprochen und zu einer Busse verurteilt. Die Abweichung von der schematisierten bundesgerichtlichen Praxis wurde mit den konkreten Verhältnissen begründet: Die Europa-Brücke ist eine schnurgerade verlaufende vierspurige Hauptstrasse mit Richtungstrennung. Sie weist ein Trottoir auf, das aber praktisch keinen Fussgängerverkehr hat. Die Radfahrer werden auf Radwegen über die Brücke geführt. Es ist ein langgezogenes Viadukt und damit vom angrenzenden Siedlungsverkehr getrennt und weist nur zwei Abzweigungen auf; am Ende befindet sich im Übrigen eine Lichtsignalanlage und eine Bushaltestelle. Das Bundesgericht hiess die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gut. Es vertrat die Meinung, auch auf einer solchen etwas atypischen Innerortsstrecke erfordere die Überschreitung der signalisierten Höchstgeschwindigkeit um 25 km/h die Annahme einer groben Verkehrsregelverletzung; dies mit Rücksicht auf die innerorts grundsätzlich erhöhte Gefahrenlage ungeachtet der konkreten Verhältnisse. Ob eine differenzierte Beurteilung allenfalls auf Strecken innerorts mit signalisierten Höchstgeschwindigkeiten von 70 oder gar 80km/h in Betracht zu ziehen wäre, liess das Bundesgericht offen.

Radarfoto, Beweis der Täterschaft (BGer 1P.277/2004, 15.9.2004) - Wer nach einer Radarkontrolle als Halter aufgefordert wird, den Namen des verantwortlichen Lenkers zu nennen, muss seine eigene Täterschaft sofort bestreiten. Wer auf dem Formular "Personalien des verantwortlichen Lenkers" seinen Namen angibt und Einsicht in das Radarbild verlangt, dann aber erst, wenn er sieht, dass der Fahrer auf dem Bild nicht erkennbar ist, seine Täterschaft bestreitet, kann sich nicht mehr auf in dubio pro reo berufen. Die Haltereigenschaft ist in diesem Fall ein ausreichendes Indiz für die Täterschaft. Die I. Zivilabteilung zitiert zwar die bundesgerichtliche Praxis zur Maxime in dubio pro reo, wonach es Sache der Anklagebehörde ist, die Schuld des Beschuldigten nachzuweisen ( BGE 127 I 40, 120 Ia 31). Im Effekt bedeutet dieses Urteil aber, dass bei Radarkontrollen der Halter eben doch, wenn nicht direkt seine Unschuld nachweisen, so doch seine Täterschaft bestreiten und mindestens erhebliche Indizien dagegen namhaft machen muss.

Testfahrt nach Reparatur (BGer 6S.364/2003, 10.3.2004) - Garagist B. hatte das Fahrzeug einer Kundin zu reparieren, das ab einer Geschwindigkeit von 120 km/h Geräusche im Armaturenbrett entwickelte. Auf der nach der Reparatur gebotenen "Testfahrt" überschritt er die Ausserortshöchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 39 km/h. Die bernischen Gerichte ahndeten die Widerhandlung als einfache Verkehrsregelverletzung mit einer blossen Busse. Sie erwogen, der objektive Tatbestand von SVG 90/2 sei zwar erfüllt und B. habe die Höchstgeschwindigkeit ganz bewusst, ja gleichsam überlegt und geplant überschritten, doch liege auf der Hand, dass er eine mindestens ernstliche abstrakte Gefährdung Dritter weder gewollt noch bewusst in Kauf genommen habe. Das Bundesgericht dagegen hielt auch den subjektiven Tatbestand der groben Verkehrsregelverletzung für gegeben. Dass mit einer derart massiven Geschwindigkeitsüberschreitung regelmässig eine nahe liegende Möglichkeit einer konkreten Gefährdung einhergehe, könne als allgemein bekannt vorausgesetzt werden. Das musste B., über den bereits 1 1/2 Jahre zuvor wegen Überschreitens der Ausserortshöchstgeschwindigkeit ein einmonatiger Entzug des Führerausweises verhängt worden war, auch wissen. Er hatte die Strecke zuvor mit normaler Geschwindigkeit abgefahren und danach auf der "Testfahrt" bei regennasser Strasse erst noch ein anderes Fahrzeug gekreuzt. Indem B. diese Fahrt "überlegt und geplant" unternommen hatte, hatte er nach der Meinung der höchsten Richter auch die damit verbundene erhöhte abstrakte Gefährdung mit in seinen Entschluss einbezogen und damit vorsätzlich gehandelt. - Wie und warum sich B. auf der zuvor rekognoszierten Fahrt erwischen liess, ist dem Urteil nicht zu entnehmen.

Linksabbieger/Überholer (BGer 6S. 188/2004, 18.6.2004) - Frau Y., die soeben aus einem Parkplatz weggefahren war, war etwa 50 m später im Begriff, nach links abzubiegen. In diesem Moment nahte von hinten X. auf seinem Roller. Trotz Sicherheitslinie überholte er ein auf Frau Y. aufschliessendes Auto. Er prallte hinten links auf das Heck des Fahrzeugs von Frau Y. auf und verletzte sich schwer. Das Strafverfahren gegen Frau Y. wurde zu Recht eingestellt. Sie führte ein erlaubtes Abbiegen durch. Zu ihren Gunsten musste beweismässig angenommen werden, dass sie den Blinker gestellt hatte. Dass sie sich unmittelbar vor dem Abbiegen nach links nicht nochmals im Rückspiegel nach hinten vergewissert hatte, war zwar ein Fehler ( SVG 34 III). Dieser Fehler war aber nicht kausal für den Unfall, denn zu diesem Zeitpunkt war X. auf seinem Roller noch rund 42 m entfernt, sodass Frau Y. keinen Grund gehabt hätte, auf ihr Abbiegemanöver zu verzichten. - Man vermisst die Hinweise auf die grundlegenden Urteile zum Vortrittsrecht zwischen Linksabbieger und Überholer. Danach hat der Nachfolgende das Überholverbot gemäss SVG 35 VI zu beachten, sobald der Linksabbieger seine Pflichten (Blinkzeichen, Einspuren, Verlangsamen; SVG 34 III) erfüllt hat. Der Linksabbieger muss sich dann eben nicht nochmals nach hinten versichern (BGer 6S.120/1998, 3.4.1998; BGE 125 IV 83; BGer 6S.167/2003, 10.7.2003; 6S.301/2003, 4.11.2003; 6S.392/2003, 24.11.2003).

Kreisverkehr, Einfahrtsgeschwindigkeit (BGer 6S.204/2004, 2.7.2004) - Auf einem Kreisverkehrsplatz war der von links kommende X. dem bereits im Kreisel befindlichen Y. in dessen linke hintere Türe gefahren. Das Bundesgericht bestätigte die Verurteilung des X. zu einer Busse von Fr. 300.-. Als von links Kommender war er zwar bei Kreisverkehr vortrittsberechtigt. Es wurde ihm aber vorgeworfen, er habe entgegen der Vorschrift von VRV 41b II bei der Einfahrt in den Kreisel seine Geschwindigkeit nicht gemässigt. Das Bundesgericht verweist auf BGE 124 IV 81. In diesem Urteil hatte das Bundesgericht erklärt, es komme nicht darauf an, wer die Einfahrt in den Kreisel zuerst erreiche. Entscheidend sei einzig, ob die Weiterfahrt zu einer Behinderung führen würde, denn das Vortrittsrecht gilt grundsätzlich auf der ganzen Schnittfläche (vgl. statt vieler BGE 116 IV 157), und diese umfasst eben im Kreisverkehr den ganzen Kreisel. Der von links Kommende und damit Vortrittsberechtigte soll also seine Fahrt ungehindert durch den ganzen Kreisel fortsetzen können. Im genannten Entscheid hatte das Bundesgericht nur so weit eingeschränkt, dass der vortrittsbelastete Lenker ohne Gegenindizien nicht damit rechnen müsse, ein Fahrzeug nähere sich plötzlich von links mit übersetztem Tempo oder beschleunige unvermittelt, um den Vortritt zu erzwingen, womit es erst zur Kollision komme. Bei richtiger Lesart verlangt nämlich VRV 41b II eine Mässigung der Geschwindigkeit nur, um einem allenfalls von links Kommenden den Vortritt zu gewähren, oder rechtzeitig anhalten zu können, wenn der Verkehr innerhalb des Kreisels ins Stocken gekommen ist. Der Kreisverkehr zeichnet sich zwar generell durch eine verlangsamte Fahrweise im Bereich einer Verzweigung aus, grundsätzlich soll aber der Vortrittsberechtigte flüssig und insbesondere ohne Einschalten eines Sicherheitshaltes einfahren können (vgl. Roth, Kreisverkehr, in Collezione Assista, Genf 1998, S. 522).

Linksabbiegen mit Ausholen (BGer 6S.376/2004, 15.12.2004) - Postauto-Chauffeur X. wollte mit einer halben Drehung auf seinen links gelegenen Depotplatz einfahren. Er holte zunächst nach rechts aus und bog dann nach links ab. Dabei kam es zum Zusammenstoss mit dem ihn überholenden Automobilisten Y. X. wurde zu Recht wegen Verletzung von SVG 34 III i.V.m. VRV 13 V gebüsst. Wer der örtlichen Verhältnisse wegen vor dem Abbiegen auf die Gegenseite ausholen muss, hat besonders vorsichtig zu fahren und nötigenfalls anzuhalten. Ein Blick in den Rückspiegel und über die Schulter hätte genügt, um den herannahenden Y. zu erkennen. Unter diesen Umständen konnte sich X. nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen, und es half ihm auch nichts, dass er den Blinker nach links gestellt hatte.

Anwohnerparkkarte (BGer 6S.149/2004, 18.6.2004) - Eine Anwohnerparkkarte, die den Inhaber zum unbeschränkten Parkieren in der blauen Zone des entsprechenden Gebietes berechtigt, befreit nicht von der Gebührenpflicht auf den übrigen, nicht blau, sondern weiss signalisierten Parkplätzen ( SSV 48 VI). Parkieren im Bereich von Strassenverzweigungen (BGer 6S.427/2003, 2.3.2004) - Gemäss VRV 18 II/d ist das freiwillige Halten und Parkieren untersagt auf Strassenverzweigungen sowie vor und nach Strassenverzweigungen näher als 5 m von der Querfahrbahn sowie an der geschlossenen Seite einer durchlaufenden Strasse; das gilt auch im Bereich einer T-förmigen Einmündung ( BGE 112 IV 94). Quartierstrassen in dünn besiedeltem Wohngebiet sind davon nicht ausgenommen. Die Ausnahmebestimmung von VRV 1 VIII i.V.m. 15 III kommt nur dann zur Anwendung, wenn das Verkehrsgefälle zwischen den beiden Wegen so erheblich ist, dass sie auch vom Aussehen her eindeutig nicht gleichrangig sind. Wo nicht der eine Verkehrsweg im Verhältnis zum anderen als völlig untergeordnet und praktisch bedeutungslos erscheint, liegt eine Strassenkreuzung vor ( BGE 127 IV 91, 123 IV 218, 112 IV 88).

Strasse als Spielplatz? (KGer SG BZ 2003.32, 8.1.2004) - Auch eine wenig befahrene Zufahrtsstrasse zu einer von Familien bewohnten Liegenschaft dient dem Zweck und damit der Ermöglichung bzw. Erleichterung der Fortbewegung von Fahrzeugen und Fussgängern. Die Benützung durch unbeaufsichtigt spielende Kinder ist damit als bestimmungswidrig anzusehen. Ein Kleinkind könnte die Zufahrtsstrasse - zu Fuss oder auf einem Dreirad - allenfalls dann bestimmungsgemäss benützen, wenn es sich in Begleitung einer vernünftigen Aufsichtsperson bewegen würde. Das Kantonsgericht St. Gallen hält dafür, dass das unbeaufsichtigte Spielen von Kindern selbst dann fraglich wäre, wenn die Strasse als Spielplatz oder als ähnliche Anlage, allenfalls als speziell gekennzeichnete Wohnstrasse, ausgestaltet wäre.

Vereitelung durch Nachtrunk (BGer 6S.42/2004, 12.5.2004) - X. streifte auf der Autobahn einen Personenwagen, der nach einem Unfall quer auf dem zweiten Überholstreifen still stand, und prallte hierauf auf die Mittelleitplanke. Während er auf die bereits avisierte Polizei wartete, trank er aus einer mitgeführten PET-Flasche 3-5 dl eines im Geschmack Whisky-Cola ähnlichen alkoholhaltigen Mischgetränks. Die leere Flasche warf er weg. Sie konnte nicht gefunden werden. Das Bundesgericht entschied, ein solcher Nachtrunk sei unabhängig vom Bestehen einer Mitwirkungs- oder Meldepflicht eine unter dem Gesichtspunkt von SVG 91 III relevante Tathandlung. Der Nachtrunk erfülle den Tatbestand der Vereitelung dann, wenn die Anordnung einer Blutprobe sehr wahrscheinlich war und das der Betroffene erkannte und in Kauf nahm. Durch einen solchen Nachtrunk werde die zuverlässige Ermittlung der BAK zur Zeit der Fahrt verunmöglicht. Dass X. im konkreten Fall auch ohne Abzug des Nachtrunks, zurückgerechnet auf den Zeitpunkt der Fahrt, lediglich eine BAK von 0,63‰ aufwies, vermochte daran nach Auffassung des Gerichts nichts zu ändern. X. hätte vom Nachtrunk besser nichts gesagt.

Vereitelung der Blutprobe - Verstoss gegen das nemo-tenetur-Prinzip? (BGer 6S.58/2004, 22.12.2004) - X. war nach einer Streifkollision mit einem entgegenkommenden Fahrzeug davongefahren, ohne anzuhalten. Er wurde u.a. auch der Vereitelung der Blutprobe ( SVG 91 III) schuldig gesprochen und focht diesen Schuldspruch erfolglos beim Bundesgericht an. Dieses hält an seiner Praxis fest, wonach mit der Verletzung der Pflichten gemäss SVG 51 I i.V.m. VRV 56 II auch der Vereitelungstatbestand erfüllt sein kann. Voraussetzung ist freilich, dass ein Drittschaden entstanden ist, dass eine Pflicht zum Beizug der Polizei bestand, dass die Meldung möglich war, und dass der Unfall unter Umständen geschah, bei denen die Polizei mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Untersuchungen betreffend FiaZ vorgenommen hätte ( BGE 90 IV 94, 95 IV 144, 106 IV 396), dass damit das Verhalten des Betroffenen "vernünftigerweise nur als Inkaufnahme der Vereitelung einer Blutprobe gewertet werden kann" ( BGE 109 IV 137, 114 IV 148, 120 IV 73, 126 IV 53). Damit wird nach Auffassung des Bundesgerichts nicht gegen das Verbot des Selbstbelastungszwangs (nemo tenetur se ipsum accusare vel prodere) verstossen. Die Pflichten, die dem Unfallbeteiligten gemäss SVG 51 auferlegt werden, dienen der Aufklärung des Sachverhalts und sind vorweg im Interesse des Geschädigten aufgestellt. Das geht dem Selbstbegünstigungsinteresse des möglicherweise schuldigen Fahrzeuglenkers vor. Darin liegt kein Verstoss gegen das Verbot des Selbstbelastungszwangs, denn dieses gilt nur im Verhältnis des Einzelnen zu den staatlichen Behörden. "Durch den Tatbestand der Vereitelung der Blutprobe werden keinerlei Verhaltenspflichten begründet, die nicht ohnehin schon auf Grund des Gesetzes bestehen ( BGE 115 IV 51, 124 IV 175)". Wenn eine Meldung an die Polizei zu erfolgen hat, weil der Geschädigte nicht sofort benachrichtigt werden kann, oder weil er das aus irgendwelchen Gründen verlangt, so muss der Betroffene auch solche Abklärungen dulden, die im konkreten Fall für die zivilrechtlichen Ansprüche des Geschädigten nicht relevant sind; u.a. eben die Anordnung einer Blutprobe.

Fahrlässige Führerflucht? (OGer BE, 1. StrK, 348/I/2003, 15.1.2004) - X. touchierte beim Rechtsabbiegen einen auf dem Radstreifen fahrenden Roller, dessen Lenkerin zu Fall kam und sich verletzte. Er hörte ein leichtes Rumpeln, schrieb dieses aber der umgefallenen Ladung in seinem Kofferraum zu und fuhr weiter. Es war ihm damit zugute zu halten, dass er sich der Möglichkeit, einen Unfall verursacht zu haben, gar nicht bewusst geworden war. - Das bernische Obergericht kam, entgegen BGE 93 IV 45, zum Schluss, auf Unfallflucht i.S.v. SVG 92 II könne nur bei vorsätzlicher Begehung erkannt werden. Es verurteilte deshalb X. lediglich wegen pflichtwidrigen Verhaltens nach Unfall ( SVG 92 I). - Die Begründung ist überzeugend. Die Kammer verweist auf die vergleichbaren Tatbestände der Aussetzung ( StGB 127) und der Unterlassung der Nothilfe ( StGB 128), die beide Vorsatzdelikte sind, und hebt besonders hervor, dass die Strafandrohung von SVG 92 II allein auf Gefängnis geht und damit die Busse als mögliche Sanktion ausschliesst, was an sich eine Ausnahme ist. Die harten Folgen der Führerflucht sollen damit den Täter treffen, "der ethisch ganz besonders verwerflich handelt ( BGE 97 IV 226) und sich angesichts der von ihm verursachten und erkannten Verletzungs- oder Tötungsfolge eines anderen Verkehrsteilnehmers der Verantwortung entschlägt".

Revision, Strafbefehl ( BGE 130 IV 72) - X., der bereits eine Vorstrafe wegen FiaZ hatte, wurde 2 Jahre später erneut betrunken am Steuer angetroffen (BAK: 2,46‰). Er wurde vom Untersuchungsrichter einvernommen und dann mit Strafbefehl (ordonnance de condamnation) zu 45 Tagen Gefängnis verurteilt. Erst 4 Monate später, als er zum Vollzug aufgeboten wurde, stellte er ein Wiederaufnahmegesuch ( StGB 397) und machte geltend, er habe am fraglichen Abend mit Kollegen vereinbart, dass diese für die Heimfahrt besorgt sein würden; sie hätten ihn aber dann im Stiche gelassen. - Das Wiederaufnahmegesuch wurde zu Recht abgewiesen. Im Bereich des Strafrechts können zwar unter Umständen auch solche Fakten zum Gegenstand eines Wiederaufnahmegesuches gemacht werden, die der Angeschuldigte im Zeitpunkt des Urteils bereits kannte, und die er auch hätte geltend machen können; im Strafprozess gilt der Untersuchungsgrundsatz. Wenn es sich aber um einen blossen Strafbefehl handelt und der Verurteilte überdies angehört wurde, so kann er nur noch neue Tatsachen und Beweismittel vorbringen, die er zur Zeit der Ausfällung des Strafbefehls noch nicht kannte. Wer einen Strafbefehl, gegen den er nur Einsprache erheben müsste, oppositionslos in Rechtskraft erwachsen lässt, handelt rechtsmissbräuchlich, wenn er erst Monate später im Revisionsgesuch Umstände nennt, die ihm längst bekannt waren.

Quelle: SJZ 101 (2005) Seite 239 ff.



turbopussy

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114

Mittwoch, 13. Juli 2005, 12:05

dankeschön, lukas. sehr interessant und überaus informativ! (auch oder gerade in diesen brighten zeiten...)

zum teil äusserst bizarre entscheide... ist der thread deshalb in den geistigen entgleisungen?

(wo er eigentlich nicht hingehört, meiner meinung nach)?







Komm näher!

Carver

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115

Mittwoch, 13. Juli 2005, 13:17

Österreich:

Aus aktuellem Anlass: wenn einen drei Schnatzen (Mischung aus Schnalle und Fo...) in einem Toyota aus Österreich auf einer österreichischen Strasse behindern, Stinkefingern und beim Überholen Gas geben und wenn die drei Schnatzen einen dann anzeigen und bei der Gendaremerie angeben, man hätte sie an einer unübersichtlichen Stelle gefährlich überholt, dann kann man gegen diese sogenannte Anonymverfügung NICHTS machen. Es gibt kein Rechtsmittel. Es ist so. Zahle 58 Euro und halts Maul!

Anlässlich o.g. Frage gleich mitgeklärt:
Wenn ein österreichischer Gendarm einen schätzt und sagt:
"Herr Carver, sie sind da 60 gefahren, ich habs geschätzt"
Dann sind diese von Amts wegen geschätzten 60 rechtlich verwertbar.
Man wird wegen einer Geschwindigkeitsbeschreitung gebüsst.


vonderAlb

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116

Mittwoch, 13. Juli 2005, 13:55

Ich glaube es wird Zeit das ich mir mal ernsthafte Gedanken über eine Videoaufzeichnung mache.
Car-PC mit Kamera nach vorne und/oder hinten und Aufzeichnung auf die Festplatte oder DVD.
Sowas müsste doch machbar sein, oder?
Dann können mich solche "Stinkefinger" mal gerne haben. Ich kann dann beweisen, was tatsächlich passiert ist.

Andreas
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117

Mittwoch, 13. Juli 2005, 22:32

Hallo Andreas,

noch mal zum mitmeiseln - ich weiss ja, es fällt schwer, das zu glauben -

Es ist wurschtegal, was tatsächlich passiert ist! Auch eine Video-Aufzeichnung bringt nichts. Ich hätte ja auch Zeugen (von denen mindestens einer auch schon 58 Euro bezahlt hat) aber es bringt nichts. Es gibt keinen Rechtsweg !


Lukas_WRX

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118

Montag, 8. August 2005, 17:36

Ein etwas längerer Text, für den juristischen Laien vielleicht nicht einfach zu lesen, aber wen die meines Erachtens berechtigte Kritik von Giger am neuesten Bundesgerichtsentscheid zum Thema „ungenügender Abstand“ interessiert, sollte sich die Zeit nehmen.
Gruss
Lukas


Ungenügender Abstand zwischen Fahrzeugen im Fokus von Beweiswürdigung und Auslegungsschwierigkeiten
Von Prof. Dr. iur. et Dr. phil. I Hans Giger

Besprechung von BGE 6P.138/2004 vom 11. Februar 2005 im Hinblick auf die Problemanalyse der Beweiswürdigung sowie der Abgrenzung zwischen einfacher und grober Verkehrsregelverletzung im Zusammenhang mit der Nichteinhaltung eines genügenden Abstandes.


Inhaltsübersicht
I. Tatbestandsanalyse
II. Problemstellung
III. Analyse der bundesgerichtlichen Würdigung
IV. Normative Analyse
1. Ausgangslage
2. Vorwurf eines ungenügenden Abstandes
3. Abgrenzung zwischen einfacher und grober Verkehrsregelverletzung
V. Fazit


I. Tatbestandsanalyse
[Rz 1] Der Beschwerdeführer folgte mit seinem Personenwagen über eine Strecke von mindestens 800 m auf dem linken Fahrbahnstreifen einer durch eine Mittelleitplanke richtungsgetrennten Autostrasse (Höchstgeschwindigkeit 80 km/h) mit einer Geschwindigkeit von über 100 km/h einem anderen Personenwagen, der im Begriff war, zwei Fahrzeuge zu überholen. Die Fahrbahn war trocken und die Sicht gut. Unmittelbar vor dem voranfahrenden Personenwagen befanden sich auf der Überholspur keine Fahrzeuge. Der Abstand des Beschwerdeführers zum Vordermann betrug nach auf eigener Beobachtung von zwei Polizeibeamten «vor Ort» beruhender Schätzung «höchstens 10 Meter».

[Rz 2] Erstinstanzlich wurde der fehlbare Fahrzeuglenker der einfachen Verletzung von Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 SGV i.V.m. Art. 34 Abs. 4 SVG (Einhalten eines ausreichenden Abstandes gegenüber anderen Strassenbenützern) sowie Art. 27 Abs. 1 SVG (Beachten der Signale, Markierungen und Weisungen) schuldig befunden und zu einer Busse von 300 Franken verurteilt.

[Rz 3] In Gutheissung der staatsanwaltschaftlichen Berufung verurteilte der Kantonsgerichtsausschuss Hinterrhein den Lenker wegen grober Verletzung von Verkehrsregeln i.S.v. Art. 90 Ziff. 2 SVG i.V.m. Art. 34 Abs. 4 SVG sowie Art. 12 Abs. 1 VRV (Einhalten eines ausreichenden Abstandes beim Hintereinanderfahren) infolge des Vorwurfs der Nichteinhaltung eines genügenden Abstandes zum voranfahrenden Fahrzeug sowie zusätzlich wegen einfacher Verletzung von Verkehrsregeln i.S.v. Art. 90 Ziff. 1 SVG i.V.m. Art. 27 Abs. 1 SVG) aufgrund der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Busse von 500 Franken.

[Rz 4] Dagegen reichte der Fahrzeuglenker die staatsrechtliche Beschwerde wie die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ein; beide Rechtsmittel peilten als einziges Ziel die Anfechtung der Verurteilung wegen grober Verkehrsverletzung an: Die Nichteinhaltung eines genügenden Nachfahrabstandes rechtfertige aus tatsächlichen wie rechtlichen Gründen lediglich zum Vorwurf einer einfachen Verkehrsregelverletzung.

[Rz 5] Beide Rechtsmittel wurden vom Bundesgericht abgewiesen (BGE 6P.138/2004 vom 11. Februar 2005).


II. Problemstellung

[Rz 6] Im Fokus des Interesses stehen nicht etwa die Probleme bezüglich der Verurteilung wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, sondern die besonderen Aspekte im Zusammenhang mit der Nichteinhaltung eines genügenden Abstandes zum voranfahrenden Motorfahrzeug. Der zur Poenalisierung ausreichende Abstand lässt sich weder aus dem Gesetz, noch aus der Verordnung ableiten. Die Errechnung der Grenzwerte ergeben sich vielmehr auf Grund technischer, personen-, umwelt- und situationsbezogener Daten, deren Eckwerte aus Bremsweg- und Reaktionszeit in Verbindung mit den im Zeitpunkt der Kontrolle bestehenden Strassen-, Witterungs- und Verkehrsverhältnissen resultieren. Aus dieser Summierung von konkreten Fakten haben sich in der Praxis Erfahrungswerte für eine mehr oder weniger objektive Beurteilung gebildet, die im Ergebnis allerdings zu statistischen Durchschnittsmassstäben mutieren, die im Einzelfall zu ungerechten Lösungen führen können.


III. Analyse der bundesgerichtlichen Würdigung

[Rz 7] Die Vorinstanz ging bei ihrer Würdigung des Fahrverhaltens des Fahrzeughalters von der Feststellung aus, dass das Nichteinhalten eines genügenden Abstandes zum Vordermann bei günstigen Strassen- und Sichtverhältnissen grundsätzlich als grobe Verkehrsverletzung i.S.v. Art. 90 Ziff. 2 SVG zu qualifizieren sei, wenn er «zeitlich 0,6 Sekunden oder weniger beträgt». Dies bedeutet 1/6 Tacho und entspricht bei einer mutmasslichen Geschwindigkeit von 126 km/h einem Abstand von rund 21 Meter. Legt man nun der Berechnung unter dieser Prämisse die vom fehlbaren Fahrzeuglenker für den fraglichen Streckenabschnitt behauptete Geschwindigkeit von 110 km/h zugrunde, so ergibt sich ein notwendiger Abstand von rund 18 Metern. Nach der von der Vorinstanz ermittelten Beweislage sei der Fahrzeuglenker seinem Vordermann mit einem Abstand von höchstens 10 Metern gefolgt, habe dadurch eine sehr gefährliche Situation geschaffen und damit den Tatbestand der groben Verkehrsregelverletzung i.S.v. Art. 90 Ziff. 2 SVG i.V.m. Art. 34 Abs. 4 SVG und Art. 12 Abs. 1 VRV erfüllt.

[Rz 8] Der fehlbare Fahrzeuglenker hatte mit seiner staatsrechtlichen Beschwerde in Verbindung mit einer eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde lediglich seine Verurteilung wegen grober Verkehrsregelverletzung angefochten. Aus tatsächlichen wie rechtlichen Gründen habe er sich nur der einfachen Verletzung von Art. 90 Ziff. 1 SVG schuldig gemacht. Im Wesentlichen beanstandete er zunächst die Beweiswürdigung durch die Vorinstanz und in der Folge die juristische Auslegung der Verkehrsregelverletzung (vorab Art. 34 Abs. 4 SVG i.V.m. Art. 90 Ziff. 1 und 2 SVG).

[Rz 9] Ausgangsbasis der bundesgerichtlichen Beurteilung der Willkürbeschwerde bildet die Tatsache, dass die von zwei Polizeibeamten beobachtete und zum Teil auf Video aufgenommene inkriminierte Fahrweise zugegebenermassen als reine Schätzung aufzufassen ist, die alsdann in einem Polizeirapport festgehalten wurde. Die tatbeständlichen Feststellungen stützen sich folglich auf die Zeugenaussage eines Polizeibeamten, die erstellte Videoaufnahme sowie den Polizeirapport. Im Grunde genommen wird mit dieser Aufzählung eine angebliche Objektivität suggeriert, die aussagen will, dass man mit verschiedenen Methoden zum gleichen Resultat gelangte. Die Wirklichkeit ist indessen eine andere: Die tatbeständliche Feststellung beruht auf einem einzigen, einheitlichen Beweisvorgang. Er basiert auf der Wahrnehmung von zwei Polizeibeamten, die ihre Beobachtungen schriftlich wie auch per Video erhärteten. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage der Zuverlässigkeit solcher Feststellungen. Ganz generell darf dazu angemerkt werden, dass menschliche Wahrnehmungen, auch in Form von Zeugenaussagen – von marginalen Ausnahmen abgesehen – in hohem Masse unzuverlässig sind. Dies ist durch die amerikanische Experimentalpsychologie bewiesen und geht insbesondere auch aus der Rechtstatsachenforschung vorab in Deutschland hervor (vgl. BENDER ROLF/NACK ARMIN, Tatsachenfeststellung vor Gericht. Band 1: Glaubwürdigkeitslehre und Beweislehre, München 1995 sowie Band 2: Vernehmungslehre. Ein Leitfaden für die Praxis, München i.V.).

Vorliegend muss davon ausgegangen werden, dass die Videoaufzeichnungen bei einem Kilometerstand von 48´000 begann und der fragliche Personenwagen nur rund 300 Meter überhaupt sichtbar war. Danach überholte der Lenker zwei Fahrzeuge und blieb bis Kilometerstand 48´700 verdeckt. Er war nur «teilweise als Schattenentwurf auf der Fahrbahn erkennbar». Nach dem Überholmanöver wechselte der fehlbare Fahrzeuglenker auf die rechte Fahrbahn. Eine Schätzung auf solcher Grundlage ist – entgegen der höchstinstanzlichen Annahme – nicht ohne willkürliche Einschätzung möglich. Daran ändert auch die vom Bundesgericht zur Begründung der Beachtlichkeit zitierte «berufliche Tätigkeit und Erfahrung» der Polizeibeamten, angeblich «aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit und Erfahrung die Distanz zwischen zwei hintereinanderfahrenden Personenwagen aus einem nachfolgenden Fahrzeug relativ zuverlässig einschätzen zu können», nichts. Die zwischen dem bedrängten und dem nachfolgenden Fahrzeug liegende Distanz vermittelt sich dem Beobachter nicht objektiv, sondern stets als individuell wahrnehmbare, variable Grösse. Ihr Einbezug ist umso ungenauer, als die Beobachtungsphase von Manövern anderweitig sich dazwischenschiebender Fahrzeuge und häufigen Positionswechseln immer wieder verändert wurde. Auch das ins Recht gelegte Video vermittelt nur distanzmässig nicht einzuschätzende Eindrücke.

[Rz 10] An diesem Beweisdefizit ändert auch die höchstinstanzliche Argumentation nichts, wonach sich zwar aus der Videoaufnahme nicht ergebe, «wie viele Meter der Abstand zwischen dem Personenwagen des Beschwerdeführers und dem Vordermann genau beträgt», aber die Aufnahme doch klar zeige, «dass der Abstand sehr gering» sei. Ohne Willkür durfte demnach die Vorinstanz nicht davon ausgehen, dass «der Abstand höchstens 10 Meter betragen habe». Die Unsicherheit bezüglich einer richtigen Situationseinschätzung beweist die Formulierung, wonach der «Abstand lediglich ca. 10 Meter – auf jeden Fall aber weniger als 21 bzw. 18 Meter» gewesen sei. Der Urteilsredaktor nennt diese Bemerkung «Eventualerwägung». Unter Hinweis auf normative Überlegungen präzisiert das Bundesgericht die relativierende Aussage alsdann in dem Sinn, dass die Vorinstanz ihre Abstands-Beurteilung nicht etwa in Zweifel ziehen wollte «und auch ein Abstand von knapp 21 Metern bzw. 18 Metern für möglich» halte. Wenn aber 21 Meter Abstand «möglich» sind, dann liegt darin logischerweise eine Unsicherheit mit Bezug auf die Einschätzung von realen 10 Metern. Als keine echte Begründung, sondern eher als eine Standardausrede für das Fehlen echter Beweise gilt sodann das Abstellen auf die Fähigkeit von Polizeibeamten, «über Erfahrung im Beobachten und Beurteilen von Verkehrssituationen» zu verfügen und deshalb «kein Grund bestehe, an deren Darstellung … zu zweifeln». Problematisch ist sodann die Ableitung eines «indirekten Geständnisses» aus der Bemerkung des fehlbaren Fahrzeuglenkers, wonach der «Abstand schon eher knapp gewesen sei, aber noch zwei Autos hineingepasst hätten». Zu Recht hat das Bundesgericht die Entscheidung darüber offen gelassen, weil mit dieser spontanen Aussage auch gemeint sein könnte, dass sich zwei Autos ohne Gefährdung anderer in die Lücke zwischen seinem Fahrzeug und demjenigen des vor ihm befindlichen Wagens einfügen könne. Dazu bedarf es aber erfahrungsgemäss wegen der Mobilität mehr als 60 Meter Abstand.

[Rz 11] Aus all den bekannten Fakten, Vorbringen, Behauptungen und Annahmen geht im Verbund mit den Realitäten hervor, dass die Beweiswürdigung den Anforderungen der Rechtssicherheit nicht genügt und sie sich daher ausserhalb der Willkürgrenze bewegt. So betrachtet erscheint mir die erstinstanzliche Verurteilung gemäss Art. 90 Ziff. 1 SVG wegen einfacher Verletzung von Verkehrsregeln mit Rücksicht auf den im Prinzip vorliegenden Beweisnotstand angemessener.

[Rz 12] Dieses Wertungsergebnis darf indessen nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir es mit Bezug auf die Einhaltung eines genügenden Abstandes mit einem äusserst schwierig zu beweisenden Tatbestand zu tun haben. Der beinahe stets vorliegende Beweisnotstand ermöglicht es, dass das im Hinblick auf die Unfallanfälligkeit und Unfallhäufigkeit wohl gefährlichste Fahrerverhalten sich der justizialen Gerechtigkeit in ungewöhnlich hohem Ausmass entziehen könnte. Die Einhaltung eines genügenden Abstandes gilt zu Recht als grundlegende Verkehrsregel, deren Verletzung die Ursache vieler und oft schwerer Unfälle ist. Daher neigt die Praxis – trotz erheblichen Schwierigkeiten eines rechtsgenüglichen Nachweises – dazu, im Fall einer Anzeige eine grobe Verkehrsregelverletzung anzunehmen. Die Justiz gerät hier in die Zwickmühle, zwischen der Generalpräventionswirkung einer harten Strafe und dem oft zu beklagenden Beweisnotstand wählen zu müssen.


IV. Normative Analyse

1. Ausgangslage

[Rz 13] Der fehlbare Fahrzeuglenker hatte nebst der Willkürbeschwerde mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde ebenfalls die unzutreffende Anwendung von Art. 34 Abs. 4 SVG (ausreichender Abstand) i.V.m. Art. 90 Ziff. 2 SVG) geltend gemacht: Danach ist beim Hintereinanderfahren gegenüber allen Strassenbenützern ein «ausreichender Abstand» einzuhalten. Das bedeutet, dass der Lenker auch bei überraschendem Bremsen des voranfahrenden Fahrzeugs rechtzeitig anhalten können muss. Die Verletzung kann entweder als leichter (Art. 90 Ziff. 1 SVG) oder grober (Art. 90 Ziff. 2 SVG) Verkehrsregelverstoss qualifiziert werden.

2. Vorwurf eines ungenügenden Abstandes

[Rz 14] Zunächst einmal müssen Bedeutung, Begriff und sachlicher Geltungsbereich festgelegt werden: Der Gesetzgeber begnügt sich mit der Formulierung «ausreichender Abstand» und überlässt es damit der Praxis, diese Blankettvorschrift zu konkretisieren: «Ausreichend» ist ein Abstand dann, wenn bei normalen objektiven wie subjektiven Konstellationen ein rechtzeitiges Anhalten auch bei unerwarteten Bremsmanövern des voranfahrenden Fahrzeugs noch möglich ist. Der einzuhaltende Abstand wird folglich durch Faktoren bestimmt, die die eigene Anhaltestrecke wie auch den Bremsweg des voranfahrenden Fahrzeugs beeinflussen. Für das Einhalten des nötigen Abstandes hat grundsätzlich der Lenker des hinteren Fahrzeugs zu sorgen (BGE 81 IV 47, E. 3a, S. 51). Als ausreichend gilt ein Abstand, wenn er auch bei überraschendem, nur verkehrsbedingtem Bremsen des voranfahrenden Fahrzeugs noch rechtzeitig anhalten kann. Vorbehalten bleibt der Fall plötzlichen Anhaltens infolge höherer Gewalt (BGE 91 IV 14, E. 1, S. 15 f.). Nicht rechnen darf der Lenker des hinteren Fahrzeugs aber etwa mit einem «mittleren Bremsweg» des vorderen Fahrzeugs. Vielmehr muss er in Betracht ziehen, dass dieser unter Umständen nur eine kurze Bremsstrecke benötigt (BGE 81 IV 302). Als Faustregel für genügenden Abstand gilt – jedenfalls bei Geschwindigkeiten unter 100 km/h – der «halbe Tacho», d.h. halb so viel Meter, als die Geschwindigkeit in Kilometern beträgt (BGE 104 IV 192, E. 2b, S. 194). Obwohl die Eckdaten der Berechnung eines «ausreichenden Abstandes» in Literatur und Praxis einigermassen zuverlässige Werte liefern (BGE 72 II 133, BGE 81 IV 47, E. 3a, S. 51, BGE 81 IV 85, BGE 81 IV 302, 83 IV 35, 91 IV 14, E. 1, S. 15 f., 91 IV 86, BGE 97 II 259, S. 265, BGE 100 IV 184 f., BGE 104 IV 192, E. 2b, S. 194), entstehen hier Schwierigkeiten im Bereich der tatbeständlichen Beweisführung.

[Rz 15] Die sich beim Fahren aufdrängenden, berücksichtigungsnotwendigen Überlegungen und Intuitionen reichen vom Miteinbezug etwa der möglichen Ausrüstung mit einem Antiblockiersystem des voranfahrenden Fahrzeuges über die unterschiedlichen Gewichte der Fahrzeuge, der Ungewissheit bezüglich der Bremsaktionen nach Aufleuchten der Bremslichter, der Einsicht, die eigene Fahrgeschwindigkeit schwerlich richtig abschätzen zu können, der Berücksichtigung der Betriebsbremswirkung (Schaltung in den niedrigen Gang), der Verkürzung des Anhaltewegs durch Auffahrunfall des voranfahrenden Fahrzeugs u.a.m. Dazu kommen die Möglichkeiten einer Radblockierung, des Miteinbezugs der Bremsreaktionszeit (Reaktionsgrundzeit plus Umsetzzeit) und eine weitere grosse Anzahl von Faktoren, die die Länge des Bremsweges bestimmen: Ausgangsgeschwindigkeit, Pedaldruck, Art der Bremsung (Vollbremsung, Stotterbremsung), Art der Strassenoberfläche, Griffigkeit, aktueller Zustand, Neigung, Temperatur u.a.m. Auch Baujahr und Typ der Fahrzeuge, Federung, Bremsanlage und Reifen usw. beeinflussen die Bremsverzögerung. All diese Faktoren lassen sich mit hinreichender Genauigkeit nur an der Unfallstelle bestimmen, wie auch die Berechnung der Länge des Bremsweges anhand einer Formel (im Detail vgl. SCHAFFHAUSER RENÉ, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, I: Grundlagen, Verkehrszulassung und Verkehrsregeln, 2.A. Bern 2002, 257 ff.: Reaktionsfähigkeit, 274 ff.: Bremswegberechnung, 312 ff.: Abstand).

[Rz 16] Wer das zu beobachtende Potential der einzuhaltenden Sorgfaltspflichten anhand einer Auslegeordnung festhält weiss, dass die Einhaltung dieser Verkehrsverhaltensregeln nur rein intuitiv und routinemässig erfolgen kann. Die Einschätzung in einem konkreten Fall stellt ein individueller Ermessensentscheid dar und es ist nicht leicht, die Entscheidung zwischen einfacher (Art. 90 Ziff. 1 SVG) und qualifizierter (Art. 90 Ziff. 2 SVG) Verkehrsregelverletzung zu treffen.

3. Abgrenzung zwischen einfacher und grober Verkehrsregelverletzung

[Rz 17] Zutreffend stellt unsere höchste Instanz fest, dass die Rechtsprechung keine allgemeinen Grundsätze zur Frage entwickelt hat, bei welchem Abstand in jedem Fall, folglich auch etwa bei günstigen Verhältnissen, eine einfache Verkehrsregelverletzung gemäss Art. 90 Ziff. 1 SVG vorliegt. Immerhin bestehen «Faustregeln», die sich Literatur (RUSCONI BAPTISTE, Code Suisse de la circulation routiére, Commentaire, 3.A. Lausanne 1996 zu Art. 34 SVG N 5.2; SCHAFFHAUSER RENÉ, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts I, 2.A. Bern 2002, N 694) und Rechtsprechung (BGE 104 IV 192, E. 2b, S. 194) entnehmen lassen. Sie werden durch die Formulierungen «halber Tacho» (dies entspricht der Wegstrecke, die in 1.8 Sekunden zurückgelegt werden), oder nach bekannter, auch international anwendbarer «Zwei-Sekunden-Regel» etikettiert. Das analoge Problem stellt sich bei der Frage, unter welchen Vorbedingungen von einer groben Verkehrsregelverletzung gemäss Art. 90 Ziff. 2 SVG auszugehen ist. Auch hier fehlen in der Rechtsprechung «allgemeine Grundsätze» (6P.138/2004). Die bereits erwähnten Beweisschwierigkeiten mögen dazu beitragen, dass diesbezüglich nur eine spärliche Gerichtspraxis besteht. Trotzdem: Der Praxis lassen sich immerhin Leitgedanken und konkrete Hinweise entnehmen, die eine Differenzierung zwischen einfacher und grober Verkehrsregelverletzung erleichtern.

[Rz 18] Zunächst einmal hat man im Sinn einer Sondierungsregel davon auszugehen, dass Verkehrsregelverstösse als einfache Verletzung i.S.v. Art. 90 Ziff. 1 SVG gelten, soweit nicht die qualifizierten Tatbestandsmerkmale von Art. 90 Ziff. 2 SVG erfüllt sind (etwa BGE 122 IV 136 ff., vorab E. 1a). Entstehungsgeschichtlich führt die unterschiedliche Gewichtung auf ein Mitglied der für die Beratung des SVG-Entwurfs eingesetzten nationalrätlichen Kommission zurück, der die problematische Anwendung von Art. 237 StGB auf anderweitige, gravierende Verletzungen von Verkehrsregeln lösen wollte. Zunächst schlug man als Qualifikationsfaktor den Vorwurf eines rücksichtslosen Verhaltens vor. Die heutige Fassung hat diesen Gedanken aufgenommen, indem sie das genannte Tatbestandsmerkmal präziser und konkreter erfasst: Danach gilt Art. 90 Ziff. 2 SVG als erfüllt, wenn die Verkehrsregelverletzung «grob» ist und der Täter dadurch kumulativ «eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder sie in Kauf nimmt» (GIGER HANS, Kommentar zum Strassenverkehrsgesetz, 6.A. Zürich 2004, 247 ff.).

[Rz 19] Nach bundesgerichtlicher Praxis hat man unter «grob» subjektiv «ein rücksichtsloses oder sonst schwerwiegend regelwidriges Verhalten» zu verstehen, das «schweres Verschulden, mindestens grobe Fahrlässigkeit» voraussetzt (BGE 99 IV 279, E. 2b, S. 280; ferner eingehend BGE 92 IV 143, E. 3, S. 145 und BGE 95 IV 1, E. 1, S. 2). Kumulativ muss aber ebenfalls objektiv eine wichtige Verkehrsvorschrift in gravierender Weise betroffen sein (dazu BGE 106 IV 385, E. 2 f., S. 387 ff.; ferner BGE 95 IV 1, E. 2, S. 3, BGE 95 IV 84, E. 3, S. 91). Entgegen einer früheren Rechtsprechung der Zürcher Gerichte (etwa SJZ 62 1966 7 ff.) fällt nicht jede objektive Verkehrsregelverletzung unter die erhöhte Strafandrohung; vielmehr darf dies zwingend nur geschehen, wenn gleichzeitig die bereits erwähnten subjektiven Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. z.B. Sachverhalt von BGE 106 IV 385 ff. sowie BGE 118 IV 285, E. 4, S. 290). Das Gleiche gilt aber auch, wenn zwar rücksichtsloses Verhalten vorliegt, aber lediglich eine relativ unwichtige Verkehrsregel übertreten wird. «Grob» im Sinne einer Verkehrsregelverletzung nach Art. 90 Ziff. 2 SVG handelt somit ein Fahrzeuglenker nur, wenn sein Verhalten die objektiven und die subjektiven Merkmale erfüllt.

[Rz 20] Laut Gesetzestext genügt aber der Nachweis einer objektiv wie subjektiv als «grob» einzustufenden Wertung noch nicht zur Verurteilung nach dem qualifizierten Tatbestand von Art. 90 Ziff. 2 SVG. Vielmehr muss dieses Tatbestandsmerkmal kumulativ mit einem zweiten Tatbestandsmerkmal verbunden sein: Der Fahrzeuglenker muss durch sein Verhalten zusätzlich «eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorrufen oder in Kauf nehmen». Das ist denn auch der Sinn der im Gesetzestext gewählten doppelten Umschreibung der zweiten Tatbestandsvoraussetzung: Eine grobe Verletzung der Verkehrsregeln fällt dann unter Art. 90 Ziff. 2 SVG, wenn der Täter dadurch entweder konkret eine ernstliche Gefahr hervorruft oder abstrakt die Möglichkeit einer ernstlichen Gefahr schafft bzw. «in Kauf nimmt» (dazu BGE 90 IV 149, E. 2, S. 152, BGE 102 IV 42, E. 1 f., S. 44 f., BGE 106 IV 48, E. 2, S. 49; vgl. ferner BGE 114 IV 63, E. 3, vorab S. 66, BGE 118 IV 285, E. 3 und 4, S. 288 ff. mit Hinweisen, BGE 123 IV 88 ff., vor allem E. 3 f., S. 92 ff., sodann BGE 130 IV 32, E. 5.1, S. 40).

[Rz 21] Die Formulierung «in Kauf nehmen» hat auf Grund der Gesetzesnorm trotz ihres missverständlichen Wortlauts keineswegs den Sinn, den Tatbestand von Art. 90 Ziff. 2 SVG zu einem Vorsatzdelikt (Eventualvorsatz) zu machen: Grobfahrlässige Tatbegehung genügt (BGE 106 IV 48, E. 2b, S. 49, BGE 99 IV 279, E. 2b, S. 280, BGE 92 IV 143, E. 3, S. 145 f.). Sie liegt vor, wenn sich der Täter der allgemeinen Gefährlichkeit seiner krass verkehrswidrigen Fahrweise bewusst ist; unter Umständen aber auch, wenn er «die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer pflichtwidrig gar nicht in Betracht zieht, also unbewusst fahrlässig handelt» (BGE 106 IV 48, E. 2b, S. 49 f.). Mit dieser Wendung wird aber der Spielraum weit geöffnet und dieses zweite Tatbestandsmerkmal zur blossen Floskel degradiert. Man könnte somit ohne weiteres eine Verurteilung gemäss Art. 90 Ziff. 2 SVG nur bei Vorliegen einer «groben» Verkehrsregelverletzung rechtfertigen. Die Gefahr «in Kauf nehmen» heisst mehr als sie nur fahrlässig verursachen.[Rz 22] Wenn der Gesetzgeber verlangt, dass das Vorliegen einer «ernstlichen» Gefahr Voraussetzung bildet, so meint er damit eine erhebliche (konkrete oder abstrakte) Realisierung der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer (BGE 105 IV 136, ebenfalls Sachverhalte von BGE 106 IV 48 ff. und BGE 92 IV 105 ff.; ferner BGE 123 IV 88, E. 3a, S. 91 f., BGE 123 II 106, E. 2a, S. 108 f., BGE 130 IV 32, E. 5.1., S. 40, je mit Hinweisen).


V. Fazit

[Rz 23] Mit seinem neuesten Entscheid (6P.138/2004) hat das Bundesgericht für eine präzisere Abgrenzung zwischen einfacher und grober Verkehrsregelverletzung weitere konkretisierende Akzente gesetzt: Der qualifizierte Tatbestand ist danach objektiv erfüllt, «wenn der Täter eine wichtige Verkehrsvorschrift in objektiv schwerer Weise missachtet und die Verkehrssicherheit ernstlich gefährdet» (vgl. ebenfalls BGE 130 IV 32, E. 5.1, S. 40). Die Einstufung nach den Kriterien konkrete, abstrakte oder erhöhte abstrakte Gefährdung hängt von der aktuellen Situation ab. Wesentlich ist dabei die «Nähe der Verwirklichung». Eine bloss allgemeine Möglichkeit der Verwirklichung genügt danach sinngemäss nicht zur Annahme einer qualifizierten Form der Verkehrsregelverletzung (vgl. auch BGE 118 IV 285, E. 3a, S. 288 f.). Aber auch im neuen, hier besprochenen Entscheid geht das Bundesgericht in Anlehnung an frühere Überlegungen davon aus, dass die «Rücksichtslosigkeit» in einem «unbewusst fahrlässigen Handeln» bestehen kann. Damit ist wiederum jene gefährliche Ventilwirkung geschaffen, die dazu dienen könnte, den Gedanken einer «ausgleichenden Gerechtigkeit» zu etablieren. Im gleichen Zusammenhang bringt aber unsere höchste Instanz auch eine Umschreibung der «Rücksichtslosigkeit», die trifft: Sie ist danach u.a. erstellt, wenn «ein bedenkenloses Verhalten gegenüber fremden Rechtsgütern» vorliegt.

[Rz 24] In dem hier zu beurteilenden Fall genügt m.E. die Schätzung des Abstandes keineswegs zur Annahme des qualifizierten Tatbestandes. Im übrigen fehlen auch die erforderlichen Anhaltspunkte zur Annahme der verlangten Gefahrenverwirklichungsnähe sowie der subjektiven Vorwerfbarkeit einer bedenkenlosen Gefährdung fremder Rechtsgüter im Sinne der «Rücksichtslosigkeit».

[Rz 25] Ich gebe ohne weiteres zu, dass das Resultat der bundesgerichtlichen Entscheidung – insbesondere im Hinblick auf die Generalprävention – grössere Akzeptanz verdient. Eine solche Lösung birgt indessen die Gefahr in sich, dass man Prinzipien wie etwa «in dubio pro reo» relativiert und die Gesetzesauslegung im Sinne der «besseren» normativen Zielsetzung umdeutet. Der Weg aus diesem Dilemma führt deshalb über eine noch präzisere gesetzgeberische Formulierung vorab in Verbindung mit der Kultivierung besserer technischer Möglichkeiten zur einwandfreieren Bestimmung von Abständen zwischen sich fortbewegenden Fahrzeugen.

Quelle: Jusletter vom 8. August 2005

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Montag, 22. August 2005, 16:29

Änderungen in der Schweiz per 1. März 2006

Ausdehnung des Gurten- und Helmobligatoriums
Änderung der Verkehrsregelnverordnung, der Signalisationsverordnung, der Verkehrszulassungsverordnung, der Verordnung über die technischen Anforderungen an Strassenfahrzeuge und der Ordnungsbussenverordnung.



Der Bundesrat hat Änderungen verschiedener Verordnungen beschlossen. Schwerpunkte sind die Erhöhung der Verkehrssicherheit, die Erleichterung der Mobilität von behinderten Personen sowie die Anpassung der Bestimmungen über Strassenreklamen.


[Rz 1] Weitere Änderungen betreffen die Umsetzung internationaler Richtlinien, technische Einzelheiten oder Vereinfachungen. Die Änderungen werden am 1. März 2006 in Kraft treten. Stellt sich bei der gerichtlichen Prüfung der Angemessenheit eines Tarifs heraus, dass die Höhe der vorgesehenen Vergütung unangemessen ist, ist sie auf das angemessene Mass zu reduzieren. Auf einen anderen, eine ähnliche Nutzung betreffenden Tarif ist nur zurückzugreifen, wenn eine solche Reduktion auf das angemessene Mass nicht in Betracht kommt.


Erhöhung der Verkehrssicherheit
[Rz 2] Die Pflicht zum Tragen der Sicherheitsgurten oder eines Helmes wird ausgeweitet und soll grundsätzlich für alle Benutzer und Benutzerinnen von Motorfahrzeugen gelten. So müssen zum Beispiel neu in Last- und Gesellschaftswagen die vorhandenen Sicherheitsgurten getragen werden. Die bislang für motorisierte Zweiräder geltende Helmtragpflicht wird auf so genannte Trikes und Quads ausgedehnt, welche bisher ohne eine entsprechende Sicherheitsausrüstung benutzt werden durften. Nur noch wenige Ausnahmen von der Gurten- und Helmtragpflicht werden aus wirtschaftlichen oder praktischen Gründen für besondere Situationen belassen. Längsbänke, welche häufig in Schulbussen eingesetzt werden, sowie Sitze für Kinder in Transportmotorwagen müssen in Zukunft mindestens mit Beckengurten ausgerüstet sein. Diese Regelung gilt für Fahrzeuge, die ab dem 1. März 2006 neu in Verkehr gesetzt werden; ältere solche Fahrzeuge müssen bis zum 1. Januar 2010 nachgerüstet werden.

[Rz 3] Die Bestimmungen über das Mitfahren auf Fahrzeugen zum Sachentransport und auf landwirtschaftlichen Fahrzeugen werden verschärft. Künftig darf Arbeitspersonal auf Fahrten zwischen dem Betrieb und der Arbeitsstelle nicht mehr auf Ladeflächen von nichtlandwirtschaftlichen Motorfahrzeugen transportiert werden; auf landwirtschaftlichen Motorfahrzeugen und Anhängern darf nur eigenes Personal mitgeführt werden.

[Rz 4] Die für Motorfahrzeuge geltende Mindestgeschwindigkeit auf Autobahnen und Autostrassen wird von heute 60 auf neu 80 km/h heraufgesetzt, was sich auf die Verkehrssicherheit und den Verkehrsfluss positiv auswirken dürfte. Für die Verwendung von Fahrrädern und fahrzeugähnlichen Geräten wird die Wegweisung vereinheitlicht und erweitert.

Erleichterungen der Mobilität für behinderte Personen
[Rz 5] Das Parkieren wird für gehbehinderte Personen mittels einer einheitlich ausgestalteten, international anerkannten Parkkarte vereinfacht. Mit erweiterten Möglichkeiten für das Benutzen von Invalidenfahrstühlen auf den für die Fussgänger wie auch für den Fahrverkehr bestimmten Verkehrsflächen wird den Mobilitätsbedürfnissen von Personen in Rollstühlen besser entsprochen. Gleichzeitig werden die betreffenden Verhaltensregeln übersichtlicher und damit verständlicher ausgestaltet. Die Sicherheit und die Orientierung von blinden und sehbehinderten Personen werden durch die Schaffung einer Rechtsgrundlage für das Anbringen taktilvisueller Markierungen verbessert.

Neuregelung der Bestimmungen über die Strassenreklamen
[Rz 6] Die geänderten Bestimmungen über Strassenreklamen beschränken sich auf das Wesentliche und rücken die Aspekte der Verkehrssicherheit in den Vordergrund. So wird bewusst auf Detailbestimmungen (z.B. Mindestabstand der Strassenreklame in Metern vom Fahrbahnrand) verzichtet. Die Bewilligungsbehörde muss jedes Gesuch anhand der konkreten Situation auf eine mögliche Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit überprüfen. Neu können ausserorts nicht mehr nur Eigenreklamen, sondern alle Arten von Reklamen bewilligt werden, sofern sie die Verkehrssicherheit nicht negativ beeinflussen.

[Rz 7] Eigen- und Fremdreklamen im Bereich von Autobahnen und Autostrassen bleiben verboten. Hingegen zulässig sind wie bis anhin Firmenanschriften und neu Ankündigungen mit verkehrserzieherischem, unfallverhütendem oder verkehrslenkendem Charakter.

Vereinfachte Durchsetzung der Rechte von Fussgängern an Fussgängerstreifen
[Rz 8] Das Nichtgewähren des Vortritts an Fussgängerstreifen kann neu im Ordnungsbussenverfahren geahndet werden, wenn keine Gefährdung der Fussgänger vorliegt.

[Rz 9] Die Änderungen treten per 1. März 2006 in Kraft.

Quelle: Jusletter vom 22. August 2005

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Montag, 30. Januar 2006, 14:03

Lebensgefährdung auf der Autobahn

Wer in der Nacht alkoholisiert und mit massiv übersetzter Geschwindigkeit auf der Autobahn mehrere Fahrzeuge überholt und dann brüsk wieder auf die Normalspur einbiegt, kann nicht nur wegen grober Verletzung von Verkehrsregeln zur Verantwortung gezogen werden, sondern unter Umständen auch wegen Gefährdung des Lebens (Art. 129 Strafgesetzbuch).

[Rz 1] Das geht aus einem Urteil des Bundesgerichts hervor, das eine unbedingte Gefängnisstrafe von 22 Monaten für einen Autolenker bestätigt hat.

[Rz 2] Der Verurteilte hatte nachts bei Frost und feuchter Fahrbahn mit 0,96 Promille Alkohol im Blut zwei mit rund 100 km/h fahrende Personenwagen mit mindestens 185 km/h überholt. Als er ein bis zwei Meter vor dem zuletzt überholten Fahrzeug wieder auf die Normalspur einbog, verlor er die Kontrolle über sein Auto, das fast fünfzig Meter durch die Luft flog und sich mehrmals überschlug. Ob ein solches Verhalten mit dem Einsatz einer Waffe verglichen werden kann, wie das Obergericht des Kantons Zürich dies tat, lässt das Bundesgericht offen. Auf jeden Fall war es laut dem einstimmig gefällten Urteil des Kassationshofs in Strafsachen nur dem Zufall zu verdanken, dass es nicht zu einer fatalen Kollision und verhängnisvollen Schreckreaktionen der überholten Fahrzeuglenker kam.

[Rz 3] Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass der verurteilte Autolenker vorsätzlich eine unmittelbare Lebensgefahr geschaffen hat. Auch durfte das Obergericht das «kamikazehafte Fahrverhalten» als skrupellos qualifizieren, hat der Fahrer doch «jede Rücksicht auf das Leben anderer Menschen vermissen lassen». Schliesslich erscheint dem Bundesgericht auch die ausgefällte unbedingte Strafe von 22 Monaten Gefängnis «nicht als unhaltbar hart».

Urteil 6S.164/2005 vom 20. Dezember 2005 – keine BGE-Publikation.

Neue Zürcher Zeitung, 27. Januar 2006 (Nr. 22), S. 15

Quelle: Jusletter vom 30. Januar 2006

Bemerkung: ich weiss zwar nicht, wie man bei einem Geschwindigkeitsunterschied von 85 km/h nur ein bis zwei Meter vor dem zuletzt überholten Fahrzeug wieder einbiegen kann, aber diese Frage ist hier nur nebensächlich...
Gruss
Lukas