Ein Schweizer erfand den Hubkolbenmotor mit Abgas-Lader.
Und wer hat's erfunden? Genau, die Schweizer! Am 13. November 1905 wurde es amtlich: Unter der Nummer 1006907 erteilte das Bundes-Patentamt der USA dem Schweizer Ingenieur Dr. Alfred Büchi von der angesehenen Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich das Patent auf einen Hubkolbenmotor mit Abgas-Lader.
Das Prinzip des Herrn Büchi - lautmalerisch auf Turbo getauft - war simpel und gilt noch heute: Bevor die Verbrennungsabgase des Triebwerks über den Auspuff ins Freie gelangen, werden sie über ein Schaufelrad geführt, das über eine Welle ein Verdichterrad antreibt. Dieses saugt Luft für den Motor an, komprimiert und schiebt sie in den Brennraum, wo sie mit Treibstoff gemischt und gezündet wird. Steigen Strömungsgeschwindigkeit und Temperatur der Auspuffgase an, erhöht sich das Tempo der Turbine. Mehr Luft und mehr Kraftstoff erhöhen die Menge des zündfähigen Gemischs, bei weniger Hubraum wird mehr Leistung und Drehmoment erzielt, die Energie zur Aufladung stellt der Motor bereit.
100 Jahre ist das jetzt her, und kaum ein Außendienstmitarbeiter oder Taxifahrer hält heute eine Existenz ohne Turbodiesel für lebbar. Was längst alltäglich ist, war seinerzeit selten. Erst 1962 debütierte der Turbo in der Großserienfertigung des Automobilbaus. Dem US-amerikanischen Giganten General Motors gebührt die Ehre, der Erste gewesen zu sein. Gleich in zwei Modellen führte GM die Turboaufladung ein, im Oldsmobile Jetfire und im Chevrolet Corvair Monza Spyder. Der Oldsmobile, der wenige Wochen vor dem Konzern-Bruder Chevrolet erschien, verfügte über einen 3,5 Liter großen V8-Motor mit "Fluid Injection". Wegen des hohen Verdichtungsverhältnisses von 10,25: 1 mußte dem Gemisch eine kühlende Verbindung aus Wasser (!) und Methylalkohol zugesetzt werden. Nur 9607 Oldsmobile wurden verkauft.
Viel besser schlug sich der Chevrolet Corvair. Schon 1959 stellte GM diesen neuen, nur 4,57 Meter kurzen "Compact" mit luftgekühltem Heckmotor vor. Um dem schwächlichen 2,3-Liter-Sechszylinderboxer mehr Leistung einzublasen, setzte Chevrolet auf den Turbo, und weil der Aufpreis für das Turbo-Paket nur 319 Dollar betrug, explodierten die Verkaufszahlen. 39 808 Turbo-Corvair wurden bis zum Modellwechsel 1965 gebaut.
In Europa brauchte die Aufladung dennoch etwas länger, um im automobilen Alltag anzukommen. Ende der 60er setzte BMW als Erster Turbo-Motoren im Tourenwagen-Rennsport ein. Die gesammelten Erfahrungen gelangten mit dem 2002 turbo 1973 auch in den Straßenverkehr. Die Leistung war über alle Zweifel erhaben: Wenn die KKK-Turbine begann, Luft in die Brennräume des 2,0-Liter-Vierzylinders zu schaufeln, ging es so nach vorne, daß die Arme lang wurden. 0,55 bar Ladedruck, 170 PS und mehr als 210 km/h Spitze, da kam auch ein handelsüblicher Porsche 911 nicht mit. Allerdings soff der kleine Bayer wie eine Hofbräuhaus-Stammtischbesatzung nach einer Wüstendurchquerung. Um die extrem heißen Abgase auf eine normale Temperatur zu kühlen, mußte das Gemisch besonders fett ausgelegt sein, der Benzinverbrauch stieg mit der Leistung. Nach 1642 Exemplaren war schon wieder Schluß. Dafür wurden plötzlich die Dieselmotoren interessant. Dr. Alfred Büchi, dem Schweizer, sei Dank.
Quelle: www.welt.de