Interessanter Bericht von der Automobilrevue (CH)
Mitsubishi Lancer Evolution
Mit mehr Komfort, Doppelkupplungsgetriebe und auch höheren Preisen wollen sich die Japaner aus der Liga der Boyracer verabschieden.
Jahrzehnte hat er gedauert - der ewige Stammtisch- und Rennstreckenzwist zwischen den Anhängern des Mitsubishi Lancer Evo und des Subaru Impreza WRX STI - nun will ihn Mitsubishi beenden. Der neue Evo ist nicht die logische Folge des noch verfügbaren Evo IX, sondern nennt sich nur noch Evolution. Mit mehr Komfort, Doppelkupplungsgetriebe und auch höheren Preisen wollen sich die Japaner aus der Liga der Boyracer verabschieden.
Nicht ganz konsequent
Ganz so konsequent wie an der Präsentation zum Ausdruck gebracht, wird der Wandel zum Premium-Wetzhobel aber dann doch nicht umgesetzt. Denn die Basisversion mit manuellem Schaltgetriebe (5 Gänge) ist ab August für Fr. 59990.- zu haben - das ist in Schlagdistanz zum eben neu aufgelegten alten Rivalen - dem Subaru Impreza WRX STI, den es ab Fr. 58000.- gibt. Der Evo mit Doppelkupplungsgetriebe (6 Gänge) ist erst ab Ende dieses Jahres ab Fr. 62990.- verfügbar; wer gar das optimierte Fahrwerk und die grösseren Bremsen dazu haben möchte, muss fast 70 Tausender auf den Tisch legen.
Dafür bekommt man aber einen ingeniösen Allradantrieb, einen Turbomotor mit 295 PS und einen mächtigen Heckflügel - die Sonderversion mit kleinem Heckspoiler für die Schweiz gibt es nicht mehr.
Während die bisherigen Evo-Modelle wenig bis gar nichts mehr mit dem jeweiligen Grossserienauto zu tun hatten, ist dies beim Evolution 2008 anders. Er basiert in Bezug auf Plattform und Design komplett auf der aktuellen Lancer-Limousine (Test in AR, der Motor ist ebenfalls ein optimiertes Triebwerk aus der Weltmotorgeneration des japanischen Herstellers. Die Allradtechnik hingegen stammt zu grossen Teilen vom letzten Evo-Modell, dem Evolution IX, wurde aber deutlich überarbeitet.
Der aufgeladene Vierzylinder ist 9:1 verdichtet und leistet 295 PS bei 6500 Umdrehungen. Das maximale Drehmoment von 365 Nm liegt bei 3500 Touren an - im Schnitt soll der mit Ladeluftkühler ausgerüstete Motor mit 10,2 L Bleifrei 98 pro 100 km auskommen. Mit dem neuen Doppelkupplungsgetriebe steigt der Verbrauch gegenüber dem 5-Gänger auf 10,5 L/100 km - und die Fahrleistungswerte (0-100 km/h) verschlechtern sich von 5,4 s auf 6,3 s für das DSG. Nicht gerade ein Zeichen höchster Effizienz für das von Getrag entwickelte Getriebe mit zwei im Ölbad rotierenden Kupplungen. Zum Vergleich: Bei VW kann man zum Beispiel den Golf GTI entweder mit 6-Gang-Handschaltung oder 6-Gang-DSG ordern. Unterschied bei der Beschleunigung aus dem Stand auf 100 km/h: Das DSG-Auto ist gemäss Werk drei Zehntel schneller!
Um das Ansprechverhalten des Motors zu verbessern, wurde die Geometrie der Turbolader-Schaufelräder angepasst sowie besonders leichte Materialien verwendet. Im Innern des Aluminium-Motorblocks kommen zudem Hochleistungskolben von Mahle zum Einsatz, und dank einem speziellen Ansaugsystem wurden die Verwirbelungen während des «Einatmens» minimiert.
Mitsubishi Lancer
Komplexe Allradtechnik
Der Antrieb des Lancer Evolution basiert in groben Zügen auf demjenigen des Vorgängers. Allerdings wurden einige wichtige Komponenten entweder überarbeitet oder neu hinzugefügt. Vorne arbeitet ein konventionelles Differenzial mit begrenztem Schlupf. Das Mittendifferenzial mit elektronisch gesteuerter Lamellenkupplung lässt sich - wie gehabt - auf den jeweiligen Untergrund (Strasse, Schotter, Schnee) per Druckknopf vom Cockpit aus justieren. Die wohl grösste Neuerung erfuhr das ausgeklügelte Differenzial an der Hinterachse. Wie bisher lässt sich das anfallende Drehmoment mittels zweier Kupplungen auf das jeweils kurvenäussere Rad umleiten (maximal im Verhältnis 70:30).
Neu werden aber mittels zahlloser Sensoren die g-Kräfte sowie zahllose andere Parameter (wie z.B. Lenkwinkel) gemessen. Um noch schneller um Kurven zu kommen und wenn bereits die maximale Kraftverteilung auf das kurvenäussere Rad via Hinterachsdifferenzial erfolgt ist, greift das ABS ein. Nicht um den Wagen markant zu verlangsamen, sondern es wird das kurveninnere Vorderrad ein wenig abgebremst. Damit lenkt der Wagen noch schärfer ein. Erst wers komplett übertreibt, wird durch das serienmässige, aber komplett abschaltbare ESP eingebremst.
Langer Rede kurzer Sinn: Der neue Evolution giert förmlich nach Kurven jeder Art, lenkt messerscharf ein und gibt dem Fahrer beim Parforceritt beinahe das Gefühl, in einem Auto mit Allradlenkung zu sitzen. Dabei federt er aber deutlich schöner als seine Vorgänger. Zusammen mit der makellosen Bremsanlage (die Testwagen waren mit den optionalen, zweiteiligen Brembo-Scheiben an der Vorderachse ausgerüstet) lässt sich der Evolution spielerisch um einen Rundkurs scheuchen. Nicht unschuldig daran ist die feinfühlig agierende Servolenkung.
Mehr Luxus an Bord
Nicht nur das Fahrwerk-Set-up zielt deutlicher Richtung Komfort als bisher, auch innen fehlt es an fast nichts. Ob automatische Klimaanlage, tollen Seitenhalt bietende Sportsitze oder eine mächtige Audioanlage, der Evolution verwöhnt seine Passagiere - allerdings auf Kosten eines deutlich höheren Leergewichts. Ein Lancer Evolution MR mit Topausstattung wiegt laut Werk 1600 kg - der in AR 6/06 geprüfte Evo IX brachte es gerade mal auf 1430 kg.
Ob Mitsubishi mit dem Evolution den richtigen Weg eingeschlagen hat und sich mit dem Konzept wirklich neue Kunden anziehen lassen, wird sich zeigen. Noch fraglicher ist allerdings, ob bisherige Evo-Fahrer dem Neuen viel abgewinnen können oder ob im Gegenzug schon bald die Gebrauchtwagenpreise der bisherigen Evo-Modelle explodieren.
Nur zum Verständnis: Der neue supersportliche Mitsubishi ist kein lahmes Fahrzeug, versteckt seine Sportlichkeit aber hinter sehr viel Komfort. Hinzu kommt, dass die Mitsubishi-Ingenieure beim Thema Sound-Engineering ebenfalls sehr zurückhaltend agierten - offenbar wollte man den Sound aus der 650-Watt-Musikanlage nicht zu stark konkurrenzieren.
Inhalt von: Automobilrevue
(Automobilrevue/spr)
Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »PITB« (18. Mai 2008, 09:11)