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Nackt im Fahrtwind
Von Frank Wald
"Ersatzrad?" Opels Pressechef Frank Klaas schaut ungläubig. "Vergleichen Sie es mit einem Motorrad. Das hat auch kein Ersatzrad." Die Rede ist vom Speedster Turbo. Und der Vergleich hinkt nicht. Mit 200 PS im Rücken wird aus Opels offenem Straßenfeger ein Bike auf vier Rädern. Mit vergleichbaren Fahrleistungen: Tempo hundert erreicht die nur 1,12 Meter flache Flunder aus dem Stand in 4,9 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit wird mit 243 km/h angegeben. Das Zwei-Liter-Turbo-Triebwerk, das bereits die Astra-Topmodelle Coupé und Cabrio sowie die getunten OPC-Versionen von Zafira und Astra auf Touren bringt, macht aus dem 930 Kilogramm leichten Speedster einen Hochleistungssportwagen, der manchmal vor Kraft kaum laufen kann. Tritt man beim Start zu heftig aufs Gas, wedelt der offene Zweisitzer hin und her, bis er die Spur gefunden hat. Eine Antischlupfregelung (ASR) täte hier gut. Doch auf solchen Komfort-Klimbim haben die Ingenieure bewusst verzichtet. Erstens ist es zu schwer und verdirbt das Leistungsgewicht von 4,7 Kilo pro PS, mit dem der Turbo-Speedster jedem Porsche Konkurrenz macht. Zum anderen widerspräche es, so Opel, dem "Wesen dieses kompromisslosen Roadsters, der Fahrfreude und Leistungsbereitschaft über Annehmlichkeiten und Nutzwert" stellt. Wer über die breiten Einstiegsschweller in die tief liegenden Schalensitze geklettert ist, wird das schnell feststellen. Aluminium und unverhüllte Technik prägen das Bild. So als ob die Innenverkleidung vergessen worden wäre. Ebenso all die elektrischen Helferchen wie Servolenkung, Fensterheber oder Außenspiegelverstellungen. Auch einen Beifahrerairbag gibt's weder gegen Geld noch gute Worte. Allerdings lässt sich die nackte Einrichtung ein wenig aufmöbeln. Auf Wunsch (1350 Euro) gibt es eine Lederausstattung in Schwarz, Rot, Blau oder Beige, Navigationssystem (1700 Euro) oder Zentralverriegelung (700 Euro). Gebaut wird der Speedster Turbo wie sein Zwilling mit 2,2-Liter-Saugmotor (108 kW /147 PS) bei Lotus in England. In Handarbeit, die für jedes Modell insgesamt drei Tage dauert. Als Siegel für diese Exklusivität prangt eine Plakette mit der Produktionsnummer in der rechten Ecke der Armaturentafel. Darüber hinaus ist die aufgeladene Version von außen an dem schwarz vergitterten Frontgrill, den schwarz umrandeten Scheinwerfern, ausgestellten Lufteinlässen hinter den Türen sowie den Leichtmetallfelgen und Schriftzug am Heck zu erkennen. Das spartanische Interieur wurde um dezent modifizierte Instrumente sowie zwei Extra-Fächer für Handy, Kleingeld oder Ähnliches erweitert. Geblieben sind leider die Astra-Lenkradhebel und -Bedienknöpfe wie auch der unscheinbare, silberne Starterknopf, der auf der Mitte der Armaturentafel sitzt. Ein Druck darauf, und der unter einer Glasscheibe sichtbare Vierzylinder hinter den Rücksitzen erwacht - mit völlig harmlosem Grummeln. Erst wenn die kurz gestufte Sechsgangschaltung mit metallischem Klacken den Kraftschluss herstellt, kommt Leben in die Kiste. Mit kehligem Fauchen stürmt der kantige Flachmann mit der verwinkelten Kunststoffkarosse nach vorn. Das kleine Lenkrad, dessen Bewegungen der Roadster präzise und trotz fehlender Servolenkung willig folgt, das brettharte Fahrwerk, das jede Zigaretten-Kippe auf dem Asphalt mitzählt oder die enorme Querbeschleunigung, die der Fahrer in schnellen Kurven spürt - machen aus dem Turbo-Speedster mehr ein Fun-Kart mit Straßenzulassung als ein Fahrzeug für den Alltagsgebrauch. Daran ändert auch das 206 Liter große Staufach im Heck nichts.
Ein nicht ganz billiger Spaß. Denn Opel verlangt für seinen potenten Puristen 36.500 Euro. Wohlgemerkt, nackt, ohne irgendwelchen Komfort. Da müssen sich Speedster-Fans warm anziehen.
Naja, wär nicht mein Fall...
geändert von: carver on 19/03/2003 21:11:11