Ich weiss, im Zeitalter des BRIGHT völlig irrelevant aber trotzdem hier eine
Zusammenfassung der Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts zum Strassenverkehrsrecht aus dem Jahr 2004
Wer von Euch Zeit und Lust hat, kann sich durch die einzelnen Urteilszusammenfassungen durchlesen. Da hat es zum Teil interessante Sachen dabei. Bei manchen Entscheiden kann man einfach nur den Kopf schütteln...
Händlerschilder (BGer 6S.223/2004, 23.09.2004) - X. liess auf einem Lastwagen, der mit Händlerschildern versehen war, vier Abbruchautos bei verschiedenen Garagen abholen und in seine Garage transportieren, um dort einzelne Teile auszubauen und in andere Fahrzeuge einzubauen. Er wurde zu Recht wegen missbräuchlicher Verwendung von Händlerschildern zu einer Busse von Fr. 400.- verurteilt. Die Verwendung von mit Händlerschildern versehenen schweren Motorfahrzeugen für Sachtransporte ist nur unter den in VVV 24 IV genannten engen Voraussetzungen zulässig; die Einschränkungen bezwecken, eine Umgehung der Pflicht zur Zahlung der Schwerverkehrsabgabe zu erschweren, von welchen mit Händlerschildern versehene Lastwagen befreit sind. VVV 24 IV/a lässt nur Transporte von Fahrzeugteilen ("pièces détachées de vehicules") im Zusammenhang mit Fahrzeugreparaturen oder Umbauten im eigenen Betrieb zu. Ganze Fahrzeuge, auch Abbruchautos, sind offensichtlich keine Fahrzeugteile; auch dann nicht, wenn einzelne Teile der transportierten Abbruchautos für Reparaturen von anderen Fahrzeugen verwendet werden. Das Bundesgericht wies die These des X., Abbruchautos als Ganzes seien für ihn "Anhäufungen von Fahrzeugteilen", als reichlich konstruiert zurück.
Vorsorglicher Entzug bei überwundener Alkoholabhängigkeit (BGer 6A. 14/2004, 30.3.2004) - X., Inhaber des Führerausweises der Kat. D, wurde der obligatorischen medizinischen Kontrolle betreffend seine Fahreignung unterzogen. Das vom 2.2.2004 datierte ärztliche Zeugnis bestätigte eine Alkoholabhängigkeit, hielt aber fest, X. lebe seit dem 30.12.2003 abstinent, was durch die Leberwerte bestätigt sei. Der Arzt hielt unter diesen Umständen eine Spezialabklärung für nicht erforderlich. Die bernische Rekurskommission für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern bestätigte mit Entscheid vom 27.2.2004 den vom Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt am 6.2.2004 angeordneten vorsorglichen Entzug des Führerausweises ( VZV 35 III). Das Bundesgericht wies die dagegen erhobene Beschwerde ab. Ein vorsorglicher Entzug rechtfertigt sich bereits, wenn erhebliche Zweifel an der Fahreignung bestehen. Mit Rücksicht auf die ausgewiesene Alkoholabhängigkeit war diese Voraussetzung gegeben. Die seitherige Abstinenzzeit von nur 3 Monaten hielt das Bundesgericht für nicht ausreichend, diese Zweifel zu beseitigen. - Dem Urteil ist nicht zu entnehmen, ob und in welcher Weise X. bislang verkehrsauffällig geworden war. Es fehlt auch jeder Hinweis darauf, dass die medizinische Alkoholabhängigkeit nicht mit der strassenverkehrsrechtlich relevanten Sucht identisch ist ( BGE 129 II 82; ferner BGer 6A.65/2002, 27.11.2002).
Behördenvertrauen? (BGer 6A.35/2004, 1.9.2004) - X., dem der Führerausweis auf die Dauer eines Monats entzogen wurde, machte vergeblich geltend, er habe bei Erhalt des Strafmandats beim Untersuchungsrichteramt nachgefragt, ob der angebrachte Vermerk "ohne Eintrag im Strafregister" auch bedeute, dass kein Administrativverfahren erfolge, was bejaht worden sei. Das in BV 9 verankerte Recht auf Vertrauensschutz ( BGE 127 I 31 E. 3a) setzt voraus, dass (1) die Behörde in einer konkreten Situation mit Bezug auf bestimmte Personen gehandelt hat, (2) sie für die Erteilung der betreffenden Auskunft zuständig war oder der Bürger sie aus zureichenden Gründen als zuständig betrachten konnte, (3) der Bürger die Unrichtigkeit der Auskunft nicht ohne weiteres erkennen konnte, (4) er im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft Dispositionen getroffen hat, die nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden können und (5) die gesetzliche Ordnung seit der Auskunftserteilung keine Änderung erfahren hat ( BGE 121 II 473 E. 2c mit Hinweisen). Diese Voraussetzungen waren schon deswegen nicht erfüllt, weil dem X. die Eröffnung eines Administrativverfahrens bereits vor Ausfällung des Strafmandates angekündigt worden war und er deshalb die Unzuständigkeit des Untersuchungsrichteramtes hätte erkennen können und müssen.
Kinder, Alter? (BGer 6S.37/2004, 6P.12/2004, 4.8.2004) - Y., mit 80 km/h auf einer Überlandstrasse fahrend, war mit der 12-jährigen Radfahrerin X. zusammengestossen. Diese war aus einem rechtwinklig von rechts einmündenden vortrittsbelasteten Radstreifen (Signal "Kein Vortritt" und Wartelinie) ausgefahren. Sie erlitt schwere Verletzungen. Das Bundesgericht hob das den Automobilisten freisprechende Urteil auf und wies die Sache zur Neubeurteilung zurück. Y., der die Gruppe der Radfahrer und das offenbar etwas vorausfahrende Mädchen gesehen hatte, hätte nicht einfach mit unverminderter Geschwindigkeit weiterfahren dürfen. Gegenüber Kindern versagt die Berufung auf das Vertrauensprinzip. Der Umstand, dass die Radfahrerin bereits 12 Jahre alt war und schon über eine gewisse Erfahrung im Verkehr verfügte, vermochte den Automobilisten nicht zu entlasten. Eine fixe Altersgrenze, von welcher an von Kindern ein vorschriftsgemässes Verhalten erwartet werden kann, und von welcher an sie nicht mehr des besonderen Schutzes durch SVG 26 II bedürfen, lässt sich nicht bestimmen. Wesentlich ist, dass der Strassenbenützer als Kind erkannt wird, was hier der Fall war. Im Strassenverkehrsrecht gelten Kinder als junge Menschen, die wegen fehlender Einsicht in die Gefahren, ungenügender Kenntnis der Verkehrsregeln oder einer Neigung zu einem dem Augenblick entspringenden Verhalten den Anforderungen des Strassenverkehrs nicht gewachsen sind ( BGE 129 IV 282). Darunter fällt ein 12-jähriges Kind selbst dann, wenn es in diesem Alter bereits Verkehrsunterricht genossen hat, denn solcher Unterricht lässt nicht ohne weiteres erwarten, das Kind werde die erworbenen Kenntnisse in allen Situationen vernünftig anwenden können.
Rennendes Kind (BGer 6P.135/2003, 6S.383/2003, 3.3.2004) - Lastwagenchauffeur X. fuhr mit etwa 60 km/h und bemerkte aus grösserer Distanz auf einem von rechts einmündenden Weg ein Kind, das in Richtung Hauptstrasse rannte. Eine mit Sträuchern bepflanzte und mit Findlingen bestückte Böschung verdeckte ihm anschliessend vorübergehend die Sicht auf das weiter eilende Kind. Dieses rannte in der Folge, ohne nach links oder rechts zu blicken, auf den über die Hauptstrasse führenden Fussgängerstreifen zu, wo es zur Kollision mit dem Lastwagen des X. kam. Der 7 1/2-jährige Knabe erlitt schwere Verletzungen. - X. wurde zu Recht wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung (StGB 125 II) verurteilt. Gegenüber Kindern, wie auch gegenüber gebrechlichen und alten Leuten gilt der Vertrauensgrundsatz nicht. Ein allenfalls begrenztes Vertrauen in das ordnungsgemässe Verhalten dieser Strassenbenützer erfordert besondere Umstände ( BGE 129 IV 282, 125 IV 83, 115 IV 239). Indem X. angesichts des rennenden Kindes nur Bremsbereitschaft erstellte, nicht aber weiter abbremste und kein Hupsignal gab ( VRV 4 III und 29 II), hatte er die nötigen Vorsichtsmassregeln nicht getroffen. Der Umstand, dass ein Kind in Richtung eines Fussgängerstreifens rennt, ist als Anzeichen für mögliches Fehlverhalten zu deuten.
Überfahren eines Rotlichts (BGer 6A.69/2004, 26.11.2004) - Wer ein Rotlicht überfahren hat und deshalb gebüsst wurde, hat eine erhöhte abstrakte Verkehrsgefährdung verursacht, die jedenfalls eine Verwarnung rechtfertigt. Das gilt nach der Meinung des Bundesgerichts unabhängig davon, ob sich ein Unfall ereignet hat oder nicht. Unerheblich ist ebenfalls, ob zur Zeit der Tat schwacher Verkehr herrschte und die Sichtverhältnisse gut waren ( BGE 123 IV 88, 118 IV 185). Die Beachtung einer Lichtsignalanlage ist eine grundlegende Regel der Verkehrssicherheit. - Die Definition der erhöht abstrakten Verkehrsgefährdung wird mehr und mehr schematisiert und ufert zur Beliebigkeit aus. Zudem steht das Nichtbeachten eines Lichtsignals in der Ordnungsbussenliste (Ziff. 309.1: Fr. 250.-). Es liegt also im freien Belieben der Polizei, ob sie die Ordnungsbusse (ohne weitere Folgen für den Betroffenen) einkassieren oder eine Anzeige machen will.
Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts (BGer 6S.99/2004, 25.8.2004) - X. hatte auf der Europa-Brücke in Zürich-Altstetten die signalisierte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um toleranzbereinigte 27 km/h überschritten. Er wurde von den Zürcher Gerichten bloss wegen einfacher Verkehrsregelverletzung schuldig gesprochen und zu einer Busse verurteilt. Die Abweichung von der schematisierten bundesgerichtlichen Praxis wurde mit den konkreten Verhältnissen begründet: Die Europa-Brücke ist eine schnurgerade verlaufende vierspurige Hauptstrasse mit Richtungstrennung. Sie weist ein Trottoir auf, das aber praktisch keinen Fussgängerverkehr hat. Die Radfahrer werden auf Radwegen über die Brücke geführt. Es ist ein langgezogenes Viadukt und damit vom angrenzenden Siedlungsverkehr getrennt und weist nur zwei Abzweigungen auf; am Ende befindet sich im Übrigen eine Lichtsignalanlage und eine Bushaltestelle. Das Bundesgericht hiess die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gut. Es vertrat die Meinung, auch auf einer solchen etwas atypischen Innerortsstrecke erfordere die Überschreitung der signalisierten Höchstgeschwindigkeit um 25 km/h die Annahme einer groben Verkehrsregelverletzung; dies mit Rücksicht auf die innerorts grundsätzlich erhöhte Gefahrenlage ungeachtet der konkreten Verhältnisse. Ob eine differenzierte Beurteilung allenfalls auf Strecken innerorts mit signalisierten Höchstgeschwindigkeiten von 70 oder gar 80km/h in Betracht zu ziehen wäre, liess das Bundesgericht offen.
Radarfoto, Beweis der Täterschaft (BGer 1P.277/2004, 15.9.2004) - Wer nach einer Radarkontrolle als Halter aufgefordert wird, den Namen des verantwortlichen Lenkers zu nennen, muss seine eigene Täterschaft sofort bestreiten. Wer auf dem Formular "Personalien des verantwortlichen Lenkers" seinen Namen angibt und Einsicht in das Radarbild verlangt, dann aber erst, wenn er sieht, dass der Fahrer auf dem Bild nicht erkennbar ist, seine Täterschaft bestreitet, kann sich nicht mehr auf in dubio pro reo berufen. Die Haltereigenschaft ist in diesem Fall ein ausreichendes Indiz für die Täterschaft. Die I. Zivilabteilung zitiert zwar die bundesgerichtliche Praxis zur Maxime in dubio pro reo, wonach es Sache der Anklagebehörde ist, die Schuld des Beschuldigten nachzuweisen ( BGE 127 I 40, 120 Ia 31). Im Effekt bedeutet dieses Urteil aber, dass bei Radarkontrollen der Halter eben doch, wenn nicht direkt seine Unschuld nachweisen, so doch seine Täterschaft bestreiten und mindestens erhebliche Indizien dagegen namhaft machen muss.
Testfahrt nach Reparatur (BGer 6S.364/2003, 10.3.2004) - Garagist B. hatte das Fahrzeug einer Kundin zu reparieren, das ab einer Geschwindigkeit von 120 km/h Geräusche im Armaturenbrett entwickelte. Auf der nach der Reparatur gebotenen "Testfahrt" überschritt er die Ausserortshöchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 39 km/h. Die bernischen Gerichte ahndeten die Widerhandlung als einfache Verkehrsregelverletzung mit einer blossen Busse. Sie erwogen, der objektive Tatbestand von SVG 90/2 sei zwar erfüllt und B. habe die Höchstgeschwindigkeit ganz bewusst, ja gleichsam überlegt und geplant überschritten, doch liege auf der Hand, dass er eine mindestens ernstliche abstrakte Gefährdung Dritter weder gewollt noch bewusst in Kauf genommen habe. Das Bundesgericht dagegen hielt auch den subjektiven Tatbestand der groben Verkehrsregelverletzung für gegeben. Dass mit einer derart massiven Geschwindigkeitsüberschreitung regelmässig eine nahe liegende Möglichkeit einer konkreten Gefährdung einhergehe, könne als allgemein bekannt vorausgesetzt werden. Das musste B., über den bereits 1 1/2 Jahre zuvor wegen Überschreitens der Ausserortshöchstgeschwindigkeit ein einmonatiger Entzug des Führerausweises verhängt worden war, auch wissen. Er hatte die Strecke zuvor mit normaler Geschwindigkeit abgefahren und danach auf der "Testfahrt" bei regennasser Strasse erst noch ein anderes Fahrzeug gekreuzt. Indem B. diese Fahrt "überlegt und geplant" unternommen hatte, hatte er nach der Meinung der höchsten Richter auch die damit verbundene erhöhte abstrakte Gefährdung mit in seinen Entschluss einbezogen und damit vorsätzlich gehandelt. - Wie und warum sich B. auf der zuvor rekognoszierten Fahrt erwischen liess, ist dem Urteil nicht zu entnehmen.
Linksabbieger/Überholer (BGer 6S. 188/2004, 18.6.2004) - Frau Y., die soeben aus einem Parkplatz weggefahren war, war etwa 50 m später im Begriff, nach links abzubiegen. In diesem Moment nahte von hinten X. auf seinem Roller. Trotz Sicherheitslinie überholte er ein auf Frau Y. aufschliessendes Auto. Er prallte hinten links auf das Heck des Fahrzeugs von Frau Y. auf und verletzte sich schwer. Das Strafverfahren gegen Frau Y. wurde zu Recht eingestellt. Sie führte ein erlaubtes Abbiegen durch. Zu ihren Gunsten musste beweismässig angenommen werden, dass sie den Blinker gestellt hatte. Dass sie sich unmittelbar vor dem Abbiegen nach links nicht nochmals im Rückspiegel nach hinten vergewissert hatte, war zwar ein Fehler ( SVG 34 III). Dieser Fehler war aber nicht kausal für den Unfall, denn zu diesem Zeitpunkt war X. auf seinem Roller noch rund 42 m entfernt, sodass Frau Y. keinen Grund gehabt hätte, auf ihr Abbiegemanöver zu verzichten. - Man vermisst die Hinweise auf die grundlegenden Urteile zum Vortrittsrecht zwischen Linksabbieger und Überholer. Danach hat der Nachfolgende das Überholverbot gemäss SVG 35 VI zu beachten, sobald der Linksabbieger seine Pflichten (Blinkzeichen, Einspuren, Verlangsamen; SVG 34 III) erfüllt hat. Der Linksabbieger muss sich dann eben nicht nochmals nach hinten versichern (BGer 6S.120/1998, 3.4.1998; BGE 125 IV 83; BGer 6S.167/2003, 10.7.2003; 6S.301/2003, 4.11.2003; 6S.392/2003, 24.11.2003).
Kreisverkehr, Einfahrtsgeschwindigkeit (BGer 6S.204/2004, 2.7.2004) - Auf einem Kreisverkehrsplatz war der von links kommende X. dem bereits im Kreisel befindlichen Y. in dessen linke hintere Türe gefahren. Das Bundesgericht bestätigte die Verurteilung des X. zu einer Busse von Fr. 300.-. Als von links Kommender war er zwar bei Kreisverkehr vortrittsberechtigt. Es wurde ihm aber vorgeworfen, er habe entgegen der Vorschrift von VRV 41b II bei der Einfahrt in den Kreisel seine Geschwindigkeit nicht gemässigt. Das Bundesgericht verweist auf BGE 124 IV 81. In diesem Urteil hatte das Bundesgericht erklärt, es komme nicht darauf an, wer die Einfahrt in den Kreisel zuerst erreiche. Entscheidend sei einzig, ob die Weiterfahrt zu einer Behinderung führen würde, denn das Vortrittsrecht gilt grundsätzlich auf der ganzen Schnittfläche (vgl. statt vieler BGE 116 IV 157), und diese umfasst eben im Kreisverkehr den ganzen Kreisel. Der von links Kommende und damit Vortrittsberechtigte soll also seine Fahrt ungehindert durch den ganzen Kreisel fortsetzen können. Im genannten Entscheid hatte das Bundesgericht nur so weit eingeschränkt, dass der vortrittsbelastete Lenker ohne Gegenindizien nicht damit rechnen müsse, ein Fahrzeug nähere sich plötzlich von links mit übersetztem Tempo oder beschleunige unvermittelt, um den Vortritt zu erzwingen, womit es erst zur Kollision komme. Bei richtiger Lesart verlangt nämlich VRV 41b II eine Mässigung der Geschwindigkeit nur, um einem allenfalls von links Kommenden den Vortritt zu gewähren, oder rechtzeitig anhalten zu können, wenn der Verkehr innerhalb des Kreisels ins Stocken gekommen ist. Der Kreisverkehr zeichnet sich zwar generell durch eine verlangsamte Fahrweise im Bereich einer Verzweigung aus, grundsätzlich soll aber der Vortrittsberechtigte flüssig und insbesondere ohne Einschalten eines Sicherheitshaltes einfahren können (vgl. Roth, Kreisverkehr, in Collezione Assista, Genf 1998, S. 522).
Linksabbiegen mit Ausholen (BGer 6S.376/2004, 15.12.2004) - Postauto-Chauffeur X. wollte mit einer halben Drehung auf seinen links gelegenen Depotplatz einfahren. Er holte zunächst nach rechts aus und bog dann nach links ab. Dabei kam es zum Zusammenstoss mit dem ihn überholenden Automobilisten Y. X. wurde zu Recht wegen Verletzung von SVG 34 III i.V.m. VRV 13 V gebüsst. Wer der örtlichen Verhältnisse wegen vor dem Abbiegen auf die Gegenseite ausholen muss, hat besonders vorsichtig zu fahren und nötigenfalls anzuhalten. Ein Blick in den Rückspiegel und über die Schulter hätte genügt, um den herannahenden Y. zu erkennen. Unter diesen Umständen konnte sich X. nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen, und es half ihm auch nichts, dass er den Blinker nach links gestellt hatte.
Anwohnerparkkarte (BGer 6S.149/2004, 18.6.2004) - Eine Anwohnerparkkarte, die den Inhaber zum unbeschränkten Parkieren in der blauen Zone des entsprechenden Gebietes berechtigt, befreit nicht von der Gebührenpflicht auf den übrigen, nicht blau, sondern weiss signalisierten Parkplätzen ( SSV 48 VI). Parkieren im Bereich von Strassenverzweigungen (BGer 6S.427/2003, 2.3.2004) - Gemäss VRV 18 II/d ist das freiwillige Halten und Parkieren untersagt auf Strassenverzweigungen sowie vor und nach Strassenverzweigungen näher als 5 m von der Querfahrbahn sowie an der geschlossenen Seite einer durchlaufenden Strasse; das gilt auch im Bereich einer T-förmigen Einmündung ( BGE 112 IV 94). Quartierstrassen in dünn besiedeltem Wohngebiet sind davon nicht ausgenommen. Die Ausnahmebestimmung von VRV 1 VIII i.V.m. 15 III kommt nur dann zur Anwendung, wenn das Verkehrsgefälle zwischen den beiden Wegen so erheblich ist, dass sie auch vom Aussehen her eindeutig nicht gleichrangig sind. Wo nicht der eine Verkehrsweg im Verhältnis zum anderen als völlig untergeordnet und praktisch bedeutungslos erscheint, liegt eine Strassenkreuzung vor ( BGE 127 IV 91, 123 IV 218, 112 IV 8
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Strasse als Spielplatz? (KGer SG BZ 2003.32, 8.1.2004) - Auch eine wenig befahrene Zufahrtsstrasse zu einer von Familien bewohnten Liegenschaft dient dem Zweck und damit der Ermöglichung bzw. Erleichterung der Fortbewegung von Fahrzeugen und Fussgängern. Die Benützung durch unbeaufsichtigt spielende Kinder ist damit als bestimmungswidrig anzusehen. Ein Kleinkind könnte die Zufahrtsstrasse - zu Fuss oder auf einem Dreirad - allenfalls dann bestimmungsgemäss benützen, wenn es sich in Begleitung einer vernünftigen Aufsichtsperson bewegen würde. Das Kantonsgericht St. Gallen hält dafür, dass das unbeaufsichtigte Spielen von Kindern selbst dann fraglich wäre, wenn die Strasse als Spielplatz oder als ähnliche Anlage, allenfalls als speziell gekennzeichnete Wohnstrasse, ausgestaltet wäre.
Vereitelung durch Nachtrunk (BGer 6S.42/2004, 12.5.2004) - X. streifte auf der Autobahn einen Personenwagen, der nach einem Unfall quer auf dem zweiten Überholstreifen still stand, und prallte hierauf auf die Mittelleitplanke. Während er auf die bereits avisierte Polizei wartete, trank er aus einer mitgeführten PET-Flasche 3-5 dl eines im Geschmack Whisky-Cola ähnlichen alkoholhaltigen Mischgetränks. Die leere Flasche warf er weg. Sie konnte nicht gefunden werden. Das Bundesgericht entschied, ein solcher Nachtrunk sei unabhängig vom Bestehen einer Mitwirkungs- oder Meldepflicht eine unter dem Gesichtspunkt von SVG 91 III relevante Tathandlung. Der Nachtrunk erfülle den Tatbestand der Vereitelung dann, wenn die Anordnung einer Blutprobe sehr wahrscheinlich war und das der Betroffene erkannte und in Kauf nahm. Durch einen solchen Nachtrunk werde die zuverlässige Ermittlung der BAK zur Zeit der Fahrt verunmöglicht. Dass X. im konkreten Fall auch ohne Abzug des Nachtrunks, zurückgerechnet auf den Zeitpunkt der Fahrt, lediglich eine BAK von 0,63 aufwies, vermochte daran nach Auffassung des Gerichts nichts zu ändern. X. hätte vom Nachtrunk besser nichts gesagt.
Vereitelung der Blutprobe - Verstoss gegen das nemo-tenetur-Prinzip? (BGer 6S.58/2004, 22.12.2004) - X. war nach einer Streifkollision mit einem entgegenkommenden Fahrzeug davongefahren, ohne anzuhalten. Er wurde u.a. auch der Vereitelung der Blutprobe ( SVG 91 III) schuldig gesprochen und focht diesen Schuldspruch erfolglos beim Bundesgericht an. Dieses hält an seiner Praxis fest, wonach mit der Verletzung der Pflichten gemäss SVG 51 I i.V.m. VRV 56 II auch der Vereitelungstatbestand erfüllt sein kann. Voraussetzung ist freilich, dass ein Drittschaden entstanden ist, dass eine Pflicht zum Beizug der Polizei bestand, dass die Meldung möglich war, und dass der Unfall unter Umständen geschah, bei denen die Polizei mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Untersuchungen betreffend FiaZ vorgenommen hätte ( BGE 90 IV 94, 95 IV 144, 106 IV 396), dass damit das Verhalten des Betroffenen "vernünftigerweise nur als Inkaufnahme der Vereitelung einer Blutprobe gewertet werden kann" ( BGE 109 IV 137, 114 IV 148, 120 IV 73, 126 IV 53). Damit wird nach Auffassung des Bundesgerichts nicht gegen das Verbot des Selbstbelastungszwangs (nemo tenetur se ipsum accusare vel prodere) verstossen. Die Pflichten, die dem Unfallbeteiligten gemäss SVG 51 auferlegt werden, dienen der Aufklärung des Sachverhalts und sind vorweg im Interesse des Geschädigten aufgestellt. Das geht dem Selbstbegünstigungsinteresse des möglicherweise schuldigen Fahrzeuglenkers vor. Darin liegt kein Verstoss gegen das Verbot des Selbstbelastungszwangs, denn dieses gilt nur im Verhältnis des Einzelnen zu den staatlichen Behörden. "Durch den Tatbestand der Vereitelung der Blutprobe werden keinerlei Verhaltenspflichten begründet, die nicht ohnehin schon auf Grund des Gesetzes bestehen ( BGE 115 IV 51, 124 IV 175)". Wenn eine Meldung an die Polizei zu erfolgen hat, weil der Geschädigte nicht sofort benachrichtigt werden kann, oder weil er das aus irgendwelchen Gründen verlangt, so muss der Betroffene auch solche Abklärungen dulden, die im konkreten Fall für die zivilrechtlichen Ansprüche des Geschädigten nicht relevant sind; u.a. eben die Anordnung einer Blutprobe.
Fahrlässige Führerflucht? (OGer BE, 1. StrK, 348/I/2003, 15.1.2004) - X. touchierte beim Rechtsabbiegen einen auf dem Radstreifen fahrenden Roller, dessen Lenkerin zu Fall kam und sich verletzte. Er hörte ein leichtes Rumpeln, schrieb dieses aber der umgefallenen Ladung in seinem Kofferraum zu und fuhr weiter. Es war ihm damit zugute zu halten, dass er sich der Möglichkeit, einen Unfall verursacht zu haben, gar nicht bewusst geworden war. - Das bernische Obergericht kam, entgegen BGE 93 IV 45, zum Schluss, auf Unfallflucht i.S.v. SVG 92 II könne nur bei vorsätzlicher Begehung erkannt werden. Es verurteilte deshalb X. lediglich wegen pflichtwidrigen Verhaltens nach Unfall ( SVG 92 I). - Die Begründung ist überzeugend. Die Kammer verweist auf die vergleichbaren Tatbestände der Aussetzung ( StGB 127) und der Unterlassung der Nothilfe ( StGB 12
, die beide Vorsatzdelikte sind, und hebt besonders hervor, dass die Strafandrohung von SVG 92 II allein auf Gefängnis geht und damit die Busse als mögliche Sanktion ausschliesst, was an sich eine Ausnahme ist. Die harten Folgen der Führerflucht sollen damit den Täter treffen, "der ethisch ganz besonders verwerflich handelt ( BGE 97 IV 226) und sich angesichts der von ihm verursachten und erkannten Verletzungs- oder Tötungsfolge eines anderen Verkehrsteilnehmers der Verantwortung entschlägt".
Revision, Strafbefehl ( BGE 130 IV 72) - X., der bereits eine Vorstrafe wegen FiaZ hatte, wurde 2 Jahre später erneut betrunken am Steuer angetroffen (BAK: 2,46). Er wurde vom Untersuchungsrichter einvernommen und dann mit Strafbefehl (ordonnance de condamnation) zu 45 Tagen Gefängnis verurteilt. Erst 4 Monate später, als er zum Vollzug aufgeboten wurde, stellte er ein Wiederaufnahmegesuch ( StGB 397) und machte geltend, er habe am fraglichen Abend mit Kollegen vereinbart, dass diese für die Heimfahrt besorgt sein würden; sie hätten ihn aber dann im Stiche gelassen. - Das Wiederaufnahmegesuch wurde zu Recht abgewiesen. Im Bereich des Strafrechts können zwar unter Umständen auch solche Fakten zum Gegenstand eines Wiederaufnahmegesuches gemacht werden, die der Angeschuldigte im Zeitpunkt des Urteils bereits kannte, und die er auch hätte geltend machen können; im Strafprozess gilt der Untersuchungsgrundsatz. Wenn es sich aber um einen blossen Strafbefehl handelt und der Verurteilte überdies angehört wurde, so kann er nur noch neue Tatsachen und Beweismittel vorbringen, die er zur Zeit der Ausfällung des Strafbefehls noch nicht kannte. Wer einen Strafbefehl, gegen den er nur Einsprache erheben müsste, oppositionslos in Rechtskraft erwachsen lässt, handelt rechtsmissbräuchlich, wenn er erst Monate später im Revisionsgesuch Umstände nennt, die ihm längst bekannt waren.
Quelle: SJZ 101 (2005) Seite 239 ff.